Tarifstreit im öffentlichen Dienst: Was Kommunen zahlen müssten

Stand: 29.03.2023 21:45 Uhr

Im aktuellen Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes fordert die Gewerkschaft ver.di mehr Geld für die Beschäftigten. Doch was bedeutet das für kommunale Arbeitgeber wie die Stadt Springe?

von Marco Heuer, Torben Hildebrandt

10,5 Prozent mehr Geld und mindestens 500 Euro für die unteren Tarifgruppen: Die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen wollen mehr Wertschätzung und den öffentlichen Dienst attraktiver machen. In Potsdam laufen möglicherweise die finalen Gespräche. Doch die kommunalen Arbeitgeber sorgen sich. Ein Tarifabschluss könnte zu hoch ausfallen. Das nachfolgende Beispiel zeigt, was das für die Stadt Springe in der Region Hannover bedeutet.

Springe typische Kommune in Niedersachsen

Springe ist eine Kleinstadt mit 30.000 Einwohnern, malerisch gelegen am Höhenzug Deister. Im Ortskern stehen alte Fachwerkhäuser. Die Wege sind kurz und der Zusammenhalt ist groß. Finanziell gesehen ist Springe eine typische niedersächsische Durchschnittskommune: Die Kassen sind leer, die Stadt schleppt viele Kredite mit sich herum. Rechnerisch hat jeder Einwohner mehr als 2.000 Euro Schulden. Mit einer Tariferhöhung wie von der Gewerkschaft ver.di gefordert, könnte sich die finanzielle Lage der Stadt weiter verschlechtern.

"Das macht mir großen Kummer"

In Springe arbeiten rund 300 Tarifbeschäftigte: in den Kitas, im Bauhof, im Rathaus und in der Kläranlage. Die Gewerkschaft will 10,5 Prozent mehr Geld. Sollte das tatsächlich so kommen, würde das im Rathaus zu Mehrkosten von rund 1,5 Millionen Euro führen. Für Clemens Gebauer, den Vertreter des Bürgermeisters, gilt die Faustformel: Jeder Prozentpunkt des Tarifabschlusses löst Kosten von 150.000 Euro aus. "Das ist eine Menge Holz. Das macht mir großen Kummer", sagt Gebauer.

Die Kassen sind leer - wo kommt das Geld her?

Die Stadt Springe hat im aktuellen Haushalt ein Gehaltsplus von 4 Prozent eingeplant. Einigen sich beide Seiten im Tarifstreit zum Beispiel auf einen Kompromiss von 8 Prozent, würde das in Springe zu Mehrkosten von 600.000 Euro führen - pro Jahr. Das Geld ist noch nicht eingeplant und muss irgendwo herkommen.

Andrea Wemheuer von ver.di Nidersachsen/Bremen im Gespräch. © Screenshot
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"Faires Gehalt ist wichtig"

Auch die Beschäftigten wissen, dass die Rathaus-Kasse leer ist. Für sie ist das allerdings kein Argument, um von ihren Forderungen abzurücken. Ver.di-Vertrauensfrau Sandra Kaehler arbeitet als Verwaltungsfachangestellte im Rathaus Springe. "Wir finden es wichtig, neue Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen und mit einem fairen Gehalt auch unser Bestandspersonal zu halten", sagt sie. Dass in Springe die Lichter ausgehen, weil ver.di zu viel durchsetzt, glaubt sie nicht. "Ich gehe davon aus, dass die Stadt ihre Pflichtaufgaben trotz der steigenden Personalkosten auch weiter wahrnehmen kann - sowie auch freiwillige Aufgaben wie zum Beispiel die Bibliothek."

Bei Büchereien und Grünanlagen sparen?

Aber wo kommen mehrere Hunderttausend Euro her, wenn die Beschäftigten besser bezahlt werden? Bürgermeister-Vertreter Clemens Gebauer steht vor einer schwierigen Aufgabe: "Da muss man gucken: Welche Quellen kann man da noch anzapfen? Jeder Euro, der jetzt dazukommt, belastet das Budget am Ende des Tages." Die Stadt könnte die Steuern erhöhen - für die Einwohnerinnen und Einwohner, aber auch für Gewerbebetriebe. Außerdem kann Springe auf mehr Geld vom Land hoffen. Und: Kommunen haben die Möglichkeit, bei den sogenannten freiwilligen Leistungen zu kürzen - das sind die Angebote, die eine Kommune lebenswert machen und die es zum Beispiel für Büchereien, Schwimmbäder, Vereine oder Grünanlagen gibt.

Rathaus hofft auf moderate Tariferhöhung

Was genau die Stadt Springe macht, um den Tarifabschluss abzufedern, ist offen. Erst mal muss ein Ergebnis vorliegen. Dann wird gerechnet. Clemens Gebauer aus dem Rathaus hofft aber, dass es seine Stadt nicht allzu schlimm trifft. Sein Appell an die Verhandler: "Leute, bleibt auf dem Teppich und seht zu, dass ihr eine für alle erträgliche Lösung findet."

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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 29.03.2023 | 19:30 Uhr

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