Studie: In Niedersachsen fehlen 41.600 Kita-Plätze
Eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt: Niedersachsen kann den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nicht erfüllen. Kritik kommt von der CDU, der Landeselternvertretung und ver.di.
In Niedersachsen werden 34 Prozent der Kinder unter drei Jahren betreut, allerdings wünschen sich fast 50 Prozent der Eltern einen Platz in einer Kita. Bei den Kindergartenkindern liegt die Betreuungsquote zwar bei 92 Prozent. Aber auch hier sieht die Bertelsmann-Studie noch Bedarf. 96 Prozent der Eltern wünschen sich demnach einen Platz. Insgesamt fehlen der Studie zufolge 41.600 Kita-Plätze. Kathrin Bock-Famulla, Expertin für frühkindliche Bildung bei der Bertelsmann-Stiftung, sagt: "Niedersachsen kann den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nach wie vor nicht bedarfsgerecht erfüllen. Die Kinder bekommen keinen Zugang zu frühkindlicher Bildung." Die Konsequenz: Familie und Beruf lassen sich schwieriger vereinbaren.
Fachkraft-Kind-Schlüssel nicht bedarfsgerecht
Auch bei der Qualität der Betreuung hakt es: Erzieherinnen und Erzieher sind für zu viele Kinder zuständig. "Es ist davon auszugehen, dass die Kitas in Niedersachsen aktuell ihren Bildungsauftrag für die Mehrheit der Kinder nicht erfüllen können", sagt Bock-Famulla. Konkret wird der Studie zufolge mehr als jedes zweite Kita-Kind nicht nach dem kindgerechten Personalschlüssel betreut. In Krippengruppen ist eine Fachkraft rechnerisch für 3,4 ganztagsbetreute Kinder zuständig. Die Bertelsmann-Stiftung empfiehlt, dass eine Erzieherin beziehungsweise ein Erzieher für drei Kinder zuständig ist. Im Kindergartenbereich, also bei Kindern ab drei Jahren, liegt der Schlüssel bei eins zu 7,6. Empfohlen wird, dass eine Fachkraft maximal für 7,5 Kinder zuständig ist.
Krankheit und Urlaub wirken sich aus
In der Realität sieht es aber offensichtlich noch düsterer aus: Laut der Studie gehen nur zwei Drittel der Arbeitszeit in die Bildung der Kinder. Die Zeit ist durch Krankheit, Urlaub und Teamgespräche nämlich deutlich begrenzt. Rein rechnerisch könnte das bis 2030 anders sein. Laut der Studie ist dann genügend Personal da. Allerdings nur, um den aktuellen Bedarf zu decken. Gleichzeitig nimmt der Wunsch der Eltern, ihre Kinder in Kitas betreuen zu lassen, seit Jahren zu.
Betreuungszeit herabsetzen?
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass dringend mehr Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger eingestellt werden müssen. Und dass pädagogisches Personal durch Mitarbeitende in der Verwaltung und Hauswirtschaft entlastet werden muss. Außerdem sei eine Anpassung der Kita-Öffnungszeiten denkbar. Dies müsste aber mit den Trägern und den Eltern abgestimmt sein, heißt es.
Kultusministerin: "Jede Verbesserung ist ein Kraftakt"
Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) sagte NDR Niedersachsen, dass die Ergebnisse der Studie nicht überraschend seien. "Sie zeigen, dass sich Niedersachsen im Mittelfeld bewegt – das ist weder gut noch schlecht, aber Ansporn, unsere Bemühungen für eine bedarfsgerechte und qualitative Betreuung mit Druck fortzusetzen." Die bisherigen Maßnahmen des Landes zeigten Wirkung, sagte sie. Das Land bewege sich deutlich nach vorne. "Jede Verbesserung ist ein Kraftakt." Die Vorschläge zur Verbesserung der Situation wolle man diskutierten - dazu zähle auch die Reduzierung der Betreuungszeit.
Landeselternverband fordert duale Ausbildung
Landtagsabgeordneter Christian Fühner (CDU) kritisiert die aktuelle Situation an den Kitas und sieht eine "dringende Notwendigkeit einer vergüteten Ausbildung für Fachkräfte im Bereich der frühkindlichen Bildung". Die Landeselternvertretung der niedersächsischen Kindertagesstätten e.V. wünscht sich eine duale Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher. Dadurch würde aus Sicht des Landeselternvertretung die Situation deutlich verbessert werden und die Auszubildenden wären von Anfang an in den Kitas unterstützend tätig. Ähnliche Argumente äußert auch ver.di. Die Gewerkschaft fordert neben der dualen Ausbildung auch einen tariflichen Lohn. Das würde mehr junge Menschen für den Beruf begeistern. Der niedersächsische Gemeindebund sagte dem NDR in Niedersachsen, dass nur durch eine Senkung der Standards die Betreuung gewährleistet werden könne. Dies sollte so lange der Fall sein bis wieder genug Erzieherinnen und Erzieher für die Betreuung zur Verfügung stehen würden.