Werkschließungen und Entlassungen? Sorge um Jobs in VW-Werken
Nachdem Volkswagen erstmals Werkschließungen in Deutschland nicht ausschließt, bangen die Mitarbeiter in Niedersachsen um Arbeitsplätze. Arbeitsminister Heil sagte, es müssten alle Standorte gesichert werden.
VW-Fertigungsstätten zu schließen solle verhindert werden, sagte der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Mittwoch. "Es ist jetzt Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Standorte, und zwar alle Standorte, gesichert werden und dass betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden", bekräftigte der SPD-Politiker. Dafür müsse es jetzt Verhandlungen geben. Medienberichten zufolge soll auf Bundesebene ein Gesetzesentwurf eingebracht werden, der steuerliche Anreize für die Anschaffung von E-Autos als Dienstwagen vorsieht.
Osnabrück: "VW als Standort unverzichtbar"
"Natürlich machen wir uns alle Sorgen", sagte der Betriebsratschef des VW-Werks in Osnabrück, Jürgen Placke, nach der Ankündigung von Sparmaßnahmen dem NDR Niedersachsen. An dem Standort gibt es rund 2.300 Beschäftigte. Stephan Soldanski von der IG Metall Osnabrück erklärte, man setze weiterhin auf die Zusage von VW für den Bau von 10.000 elektrischen Porsche ab 2025. Außerdem werde das T-Roc-Cabrio weitergebaut. Die stark schwankende Auslastung des Werks hatte bereits in der Vergangenheit für Sorgen unter den Beschäftigten gesorgt. Laut "Automobilwoche" war der Standort Osnabrück im vergangenen Jahr am wenigsten ausgelastet. Der Rat der Stadt Osnabrück hat am Dienstagabend eine Resolution verabschiedet. Darin heißt es, dass alle VW-Standorte im Land Niedersachsen zu sichern seien - der Standort Osnabrück sei für VW auch in Zukunft unverzichtbar.
Hannover: Bekenntnis zum Automobilstandort gefordert
Die Sorge um den Standort ist unterdessen auch bei den Beschäftigten und Gewerkschaften in Hannover groß. 22 Betriebsräte aus der Automobilwirtschaft wandten sich am Dienstag gemeinsam mit den Gewerkschaften IG Metall und IG BCE mit einem Appell an die Kommunalpolitik: "Hannover muss automobiler Industriestandort bleiben", heißt es darin. Sie fordern Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) und Regionspräsident Steffen Krach (SPD) dazu auf, sich klar zum Automobilstandort zu bekennen und dementsprechend zu handeln. Regionspräsident Steffen Krach sagte: "Die Region Hannover muss sich als Industriestandort verändern, aber sie soll und muss Industriestandort bleiben." Bei diesem Ziel könnten sich die Gewerkschaften seiner Unterstützung sicher sein. Man werde "gemeinsam mit den Gewerkschaften und Betriebsräten" ins Gespräch gehen, um "gemeinsam Lösungen im Sinne der Beschäftigten und des Industriestandortes" zu entwickeln. Oberbürgermeister Onay hat sich bislang nicht geäußert.
Emdens Oberbürgermeister: "Ganzer Region droht Wohlstandsverlust"
Emdens Oberbürgermeister Tim Kruithoff (parteilos) teilte mit, er glaube nicht, dass das Emder Werk geschlossen werde. Schließlich habe VW das Werk gerade erst für 1,3 Milliarden Euro in ein reines Elektroautowerk umgebaut. Laut Betriebsrat Manfred Wulff hat die Produktion in Emden durch den ID7 deutlich angezogen. 750 bis 800 Autos würden dort pro Tag gebaut. Die Auftragsbücher seien voll, auch für das kommende Jahr. Der Hauptgeschäftsführer der IHK Ostfriesland-Papenburg, Max-Martin Deinhard, erklärte: "Uns macht Hoffnung, dass das Emder Werk voll auf E-Autos und damit erneuerbare Energie setzt." Bürgermeister Kruithoff fürchtet trotzdem, dass Arbeitsplätze verloren gehen. "Deutschland steckt in einer tiefen Wirtschafts- und Industriekrise", sagte der Bürgermeister. Das sehe man auch in der Region: "Erst Enercon, dann die Meyer-Werft, jetzt VW. Da droht einer ganzen Region Wohlstandsverlust."
Kornblum: "Schließung des Werkes Braunschweig darf es nicht geben"
Für Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD) darf es keine Schließung des Werkes Braunschweig geben. "Wir werden für unser Werk und die Arbeitsplätze kämpfen", sagte er gegenüber NDR Niedersachsen. Um die Folgen für die in Braunschweig ansässigen Unternehmen und Arbeitsplätze einschätzen zu können, werde die Stadt umgehend den Kontakt zu VW suchen - auch um die Folgen für die Stadt und die Region bewerten zu können. Wolfsburgs Oberbürgermeister Dennis Weilmann (CDU) sagte, dass die Stadt Wolfsburg den von VW eingeschlagenen Weg "bestmöglich" begleiten werde. Es müssten nun die richtigen Entscheidungen für VW und vor allem für den Standort Wolfsburg getroffen werden, so Weilmann.
Bundesminister Habeck meldet sich zu Wort
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Dienstag: "Alle Beteiligten müssen ihrer Verantwortung für die Beschäftigten in den Standorten gerecht werden." Die Autoindustrie sei ein Eckpfeiler des Industriestandorts Deutschland und das solle auch so bleiben. Er erkannte an, dass die Herausforderungen durch den Wandel hin zur E-Mobilität für die Autoindustrie aktuell enorm seien. Die großen Automobilhersteller seien "Wohlstandsmotor" in Regionen quer durch das Land. VW trage eine "hohe Verantwortung." Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sagte: "Die angekündigten Maßnahmen sind überfällig, um eine Trendwende einzuleiten und eine Krise zu verhindern." Die fehlende Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sei dabei primär das Resultat eigener Fehlentscheidungen und nicht die Verantwortung der Politik. Letztere dürfe "nicht den Fehler begehen, alte Strukturen zu zementieren und die notwendige Transformation zu behindern", sagte er in Hinblick auf potenzielle Rettungsmaßnahmen.
VW-Chef Schäfer: "Die Lage ist äußerst angespannt"
Nach Angaben des VW-Betriebsrats hält der Markenvorstand mindestens ein Fahrzeugwerk und eine Komponentenfabrik in Deutschland für entbehrlich. Welches Werk und wie viele der rund 120.000 Stellen in Deutschland auf der Kippe stehen könnten, teilte Volkswagen am Montag nicht mit. VW kündigte zudem an, die bis 2029 vereinbarte Jobgarantie aufkündigen zu wollen. Der bisher geplante Stellenabbau durch Altersteilzeit und Abfindungen reiche nicht mehr aus, um die gesetzten Einsparziele zu erreichen. Die Lage sei "äußerst angespannt" und durch "einfache Sparmaßnahmen" nicht mehr zu lösen, erklärte VW-Chef Thomas Schäfer am Montag in einem Schreiben an die Belegschaft. Voraussichtlich ab dem kommenden Jahr wären betriebsbedingte Kündigungen möglich.
IG Metall: "Werden Protest zum Ausdruck bringen"
VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo kündigte daraufhin am Montag "massiven Widerstand" gegen die Sparpläne von VW an. Unter ihrer Leitung werde es keine Standortschließungen geben. Zudem wolle sie die bereits seit 1994 bestehende Jobgarantie retten, sagte Cavallo dem NDR Niedersachsen. Sie mache sich bereit auf zähe Verhandlungen. Es gehe nicht nur um Tarifverträge, sondern auch um strategische Fragen in Bezug auf die künftige Ausrichtung des Unternehmens. Die Gewerkschaft IG Metall kritisierte die Ankündigung des VW-Vorstands als "unverantwortlichen Plan". IG Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger forderte VW auf, eine nachhaltige Strategie zu entwickeln, die Volkswagen langfristig wettbewerbsfähig macht und Arbeitsplätze sichert. Über Jahrzehnte sei der Garant des Erfolgs von Volkswagen gewesen, Probleme gemeinsam mit den Beschäftigten zu lösen, sagte Gröger am Dienstag NDR Info. "Und zwar unter Ausschluss von Standortschließungen und von betriebsbedingten Kündigungen", betonte er. Dass dieses Commitment jetzt aufgekündigt werde, rüttele an den Grundfesten der Zusammenarbeit bei Volkswagen. "Wir werden unseren Protest zum Ausdruck bringen", kündigte Gröger an.
Weil: "Frage der Schließung von Standorten darf sich nicht stellen"
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) äußerte sich am Montag zu den Ankündigungen von VW. Er erwarte, dass sich "die Frage einer Schließung von Standorten" nicht stellt. Es müssten Alternativen genutzt werden. Das Land werde sich aktiv und konstruktiv an den nun folgenden Gesprächen beteiligen, so Weil, der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt. Der Fokus liege dabei in besonderem Maße auf den Perspektiven der niedersächsischen Standorte und der dortigen Arbeitsplätze. Der Vorstand sowie der Betriebsrat und die Gewerkschaft müssten jetzt "sehr zügig in vertrauensvolle und ergebnisorientierte Verhandlungen eintreten", so Weil.