Social Start-ups: Wenn Geld nicht alles ist
Die Idee des sozialen Unternehmertums ist in den vergangenen Jahren aus den USA nach Deutschland geschwappt und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Bei den sogenannten Social Start-ups geht es vorrangig nicht ums Geldverdienen, sondern sie verfolgen auch soziale oder ökologische Ziele. Die Müsli-Macher Heyho aus Lüneburg wollen Menschen eine Chance bieten, die auf dem regulären Arbeitsmarkt keine haben, und handgemachtes Müsli herstellen.
Der aus dem Iran stammende Milad wiegt Haferflocken, Kakao-Splitter und Kürbiskerne in einem großen Bottich ab. Die Haferflocken hat er vorher in einem Ofen mit Kokosfett und Agavensirup geröstet. Sie heißen dann Granola - der Hipsterbegriff für Knuspermüsli. Milad ist der erste Vollzeit-Angestellte bei Heyho. Für ihn ist es die erste geregelte Arbeit seit Langem: "Weil ich keine Ausbildung habe, habe ich in verschiedenen Jobs gearbeitet, mal als Schweißer oder Maler. Als ich nach Deutschland kam, hatte ich viele Probleme mit der Sprache und der Kultur." Gut zwei Jahre lang war er arbeitslos. Über das Jobcenter fand er keine neue Arbeit und wenn doch, blieb er meist nicht lange. Der Zeitdruck war oft zu hoch, aber hier geht es entspannter zu, sagt er: "Nicht immer nur Arbeit, Arbeit, Arbeit. Ich darf zum Beispiel Musik hören und mit meinen Kollegen Spaß machen."
Brüche im Lebenslauf sind erwünscht
Milad ist damit der Prototyp, den sich die Gründer von Heyho wünschen. Viele seiner Kollegen arbeiten nur wenige Stunden die Woche, sind Arbeitslosengeld-Empfänger oder frühverrentet, weil sie psychische Probleme haben oder suchtkrank sind. Mindestens 30 Prozent ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen Brüche im Lebenslauf haben - das ist als Unternehmensziel im Gesellschaftervertrag festgeschrieben, sagt Mitgründer Stefan Buchholz: "Ich habe 16 Jahre lang eine Einrichtung für wohnungslose Menschen in Lüneburg geleitet und weiß, dass unglaublich viele Leute dabei sind, die ein gutes Potenzial mitbringen. Unsere Gesellschaft gibt solchen Menschen aber keine Chance. Deswegen haben wir gesagt, wir wollen die Tür da aufmachen, wo andere sie zumachen und zeigen, dass das geht."
Keine Subventionen
In der Produktion gibt es für alle Mitarbeiter zehn Euro die Stunde. Deutlich mehr als in klassischen Fördereinrichtungen oder sozialen Werkstätten. Auf öffentliche Fördergelder verzichten die Müsli-Mixer allerdings. Sie setzen stattdessen darauf, dass sie mit ihrer sozialen Geschichte, die hinter dem Produkt steckt, einen höheren Verkaufspreis erzielen können. Zwei der Gründer kommen aus der Werbebranche. Sie hätten sich ganz bewusst für die Unternehmensform GmbH entschieden, erklärt Stefan Buchholz: "Wir wollen zeigen, dass so ein Betrieb unter ganz normalen Wettbewerbsbedingungen existieren kann. Jede Form von staatlicher Subvention ist schon wettbewerbsverzerrend und deshalb brauchen wir das eigentlich nicht."
Erste Belastungsprobe bestanden
Die erste Belastungsprobe haben die Mitarbeiter gerade hinter sich: eine Großbestellung des Biohändlers Alnatura und der Drogeriekette Budnikowsky. Innerhalb einer Woche mussten auf einmal 3.000 Gläser gefüllt werden. Im gesamten vergangenen Jahr waren es 20.000. Um solche Hochphasen zu stemmen, arbeiten in der Produktion "normale Mitarbeiter" wie die Studentin Hannah. Genauso wie Milad füllt sie Müsli ab, klebt Etiketten oder stempelt Haltbarkeitsdaten auf die Gläser. Dass sie dabei auch die Kollegen im Blick haben muss, die nicht immer das Tempo mitgehen können, stört sie nicht, im Gegenteil: "Für mich sind diese Menschen eine Bereicherung. Zu sehen, dass man so etwas Großartiges wie das hier auf die Beine stellen kann, ist schon toll."
Teil des Gewinns fließt in soziales Projekt
Mit den ersten Großaufträgen ist ein Schritt in den Lebensmittelmarkt geschafft. Im Juli zieht Heyho in eine größere eigene Rösterei. Dort soll in diesem Jahr die Marke von 100.000 Müsli-Gläsern geknackt werden. Damit könnte das Start-up in die Gewinnzone kommen. Einen Teil dieser Gewinne soll in Projekte für Wohnungslose fließen - auch das ist Teil des Gesellschaftervertrages.