Rechtsextremismus: Auch Ermittlungen gegen Polizisten im Norden
400 Beamte der Polizei stehen bundesweit unter Verdacht, eine rechtsextreme oder verschwörungsideologische Gesinnung zu haben. Auch in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein wird gegen Polizisten ermittelt.
In Niedersachsen wird nach Auskunft des Innenministeriums derzeit gegen zwölf Polizistinnen und Polizisten wegen des Verdachts auf eine rechtsextremistische Gesinnung ermittelt. Hinzu kommen drei weitere Polizeibeamte, gegen die Disziplinarverfahren wegen des Verdachts einer verschwörungsideologischen Einstellung geführt würden. Insgesamt gebe es landesweit rund rund 19.500 Polizistinnen und Polizisten. Zunächst hatte das Magazin "Stern" die Ergebnisse einer Umfrage unter den Innenministerien aller 16 Bundesländer veröffentlicht.
Beamtenverhältnis mit sechs Polizisten beendet
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens sagte, auch bei 19.500 Polizistinnen und Polizisten im Land sei jeder Verdachtsfall einer zu viel. "Personen, die unsere Verfassung und die Werte unserer Demokratie nicht achten, haben in der Polizei des Landes Niedersachsen keinen Platz", sagte die SPD-Politikerin. Seit 2020 sind laut Innenministerium in Niedersachsen sechs mutmaßlich extremistische Polizisten aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden.
Fall aus Hannover: Mutmaßlicher "Reichsbürger" Michael F.
Der bekannteste Fall aus Niedersachsen ist der des ehemaligen Kriminalhauptkommissars und mutmaßlichen Rechtsextremisten Michael F. aus Hannover. Er sitzt seit seiner Festnahme im Dezember 2022 in Untersuchungshaft. Ende Mai beginnt gegen ihn und weitere Beschuldigte um den mutmaßlichen "Reichsbürger" Heinrich XIII. Prinz Reuß der Prozess wegen Terrorverdachts in Frankfurt. Laut Bundesanwaltschaft hatte die Gruppe einen politischen Umsturz in Deutschland geplant. F. war innerhalb des "militärischen Arms" für das Ressort "Inneres" zuständig.
Polizei als "Vorbild in unserer Gesellschaft"
Die Polizei sei ein "Vorbild in unserer Gesellschaft", sagt Behrens dem NDR. "Die Polizisten sind diejenigen, die uns vor Demokratiefeinden schützen müssen und können. Deshalb müssen sie standhaft und gesichert sein in ihren politischen und sensiblen Wahrnehmungen", so die Ministerin. Zwar überprüfe man Anwärterinnen und Anwärter sehr genau, aber das schütze ihrer Erfahrung nach nicht vor Veränderungen der Einstellungen in den folgenden Jahren, insbesondere, wenn die Beamten in Brennpunkt-Regionen eingesetzt werden würden. "Wir müssen darauf achten, dass die Polizisten verschiedene Seiten der Gesellschaft kennenlernen", sagte Behrens.
Acht Ermittlungsverfahren in Hamburg
In Hamburg laufen beim Dezernat Interne Ermittlungen aktuell gegen acht Polizisten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts mangelnder Verfassungstreue. Das teilte die Hamburger Innenbehörde auf Nachfrage von NDR 90,3 mit. Hamburg sei damit im Vergleich zur bundesweiten Zahl von rund 400 Ermittlungsverfahren eher unauffällig, sagte ein Sprecher der Innenbehörde.
Schleswig-Holstein: Verfahren gegen acht Beamte
In Schleswig-Holstein laufen ebenfalls gegen acht Polizeibeamte Disziplinarverfahren wegen Extremismusverdachts, wie das Innenministerium am Donnerstag mitteilte. In der Landespolizei gebe es bei dem Thema eine hohe Sensibilität, sagte ein Ministeriumssprecher. "Alle Polizeibeamtinnen und -beamten verpflichten sich mit ihrem Diensteid, für die freiheitlich demokratische Grundordnung und die Verfassung einzutreten." Es gelte eine Null-Toleranz-Linie. Es gebe Einrichtungen wie die Demokratielotsen in den Polizeidirektionen, den psychologischen Dienst und die polizeiliche Seelsorge sowie die Beratungsstellen des Landespräventionsrats - mit Kontaktpersonen, die Hinweisen auf unangemessenes Verhalten nachgehen können.
Keine aktuellen Zahlen aus Mecklenburg-Vorpommern
Aus Mecklenburg-Vorpommern liegen derzeit keine aktuellen Zahlen zu Verfahren vor, wie das Innenministerium dem NDR auf Nachfrage mitteilte. Die letzten Daten gebe es aus dem Jahr 2022: Seinerzeit habe es fünf Disziplinarverfahren im Zusammenhang mit der politischen Treuepflicht in der Landespolizei gegeben, hieß es.