Quote gestiegen: Deutlich mehr arme Menschen in Niedersachsen
Die Armut in Niedersachsen steigt. Das Land ist im Bundesvergleich überdurchschnittlich von Armut betroffen. Wohlfahrts- und Sozialverbände fordern, schnell soziale Reformen umzusetzen.
Laut dem aktuellen Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes lag die Armutsquote im Jahr 2021 bei 18,3 Prozent und damit noch höher als zunächst prognostiziert. "In Niedersachsen hat die Armutsquote damit im Vergleich zu 2020 um rund vier Prozent zugelegt", heißt es in dem Bericht, der auf Daten des Statistischen Bundesamts beruht. Für Niedersachsen zeige sich, dass die Armutsbetroffenheit der Menschen regional sehr unterschiedlich ausfällt. So liege der Wert im Umland von Hannover mit 15,1 Prozent deutlich unter dem Landesdurchschnitt, in Ostfriesland mit 21,1 Prozent und in den Landkreisen Goslar, Osterode am Harz, Göttingen und Northeim liegt die Quote dagegen weit darüber. Spitzenreiter sei die Landeshauptstadt Hannover mit 22,9 Prozent.
"Kindergrundsicherung muss zügig kommen"
"Eine nachhaltige Bekämpfung von Armut findet in Deutschland nach wie vor nicht statt", sagt Kerstin Tack, Vorsitzende des Paritätischen Niedersachsen. Trotz des großen Reichtums in der Gesellschaft grassiere die Armut in Deutschland. Die Krisen der vergangenen drei Jahre hätten die Not der Menschen weiter verschärft. "Dieser sozialen Ungleichheit muss die Politik mit entsprechenden sozialen Reformen entschlossen begegnen. Die zeitnahe Einführung einer auskömmlichen Kindergrundsicherung wäre ein erster, wichtiger Schritt hin zu einer gerechteren Gesellschaftsstruktur."
Paritätischer hält mehr BAföG für nötig
Auch die Armutsbetroffenheit von Kindern und Jugendlichen ist dem Bericht zufolge noch einmal gestiegen: Hier betrage die Quote 21,3 Prozent, die Armutsquote von Alleinerziehenden stieg demnach auf 42,3. Von zentraler Bedeutung seien eine "spürbare Anhebung der Regelsätze im Bürgergeld und in der Altersgrundsicherung von jetzt 502 auf 725 Euro" und eine existenzsichernde Anhebung des BAföG, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider.
SoVD fordert Erhöhung des Mindestlohns
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) in Niedersachsen fordert ebenfalls schnelle Maßnahmen der Politik. "Für ein reiches Land wie Deutschland ist das wirklich beschämend", sagte Bernhard Sackarendt, Landesvorsitzender des SoVD in Niedersachsen, mit Blick auf die aktuellen Zahlen des Armutsberichts. "Offenbar nimmt die Politik die Zahlen nicht ernst genug, denn es passiert viel zu wenig." Zahlreiche Menschen wüssten nicht mehr, wie sie finanziell über die Runden kommen sollen. Neben der schnellen Einführung der Kindergrundsicherung und einer Anhebung des Rentenniveaus fordert der SoVD daher eine weitere Erhöhung des Mindestlohns um mehr als zwei Euro auf rund 14 Euro zum nächsten Jahreswechsel.
Arm ist, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland hat
Um die Verbreitung von Armut zu messen, nutzt der Paritätische die sogenannte relative Einkommensarmut als Indikator. Dieser in einer EU-Konvention festgelegten Größe zufolge ist ein Mensch arm, wenn sein Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland beträgt. Mitgezählt werden dabei alle Nettoeinkünfte, also etwa Lohn, Rente, Wohngeld, Kindergeld oder Hartz IV. Um Haushalte unterschiedlicher Größe vergleichbar zu machen, wird ein Pro-Kopf-Wert ermittelt.