Niedersachsen unzufrieden mit Strompreis-Einigung
Die Bundesregierung will Unternehmen bei den Kosten für Strom entlasten. Ein echter Industriestrompreis, wie ihn unter anderem Niedersachsen gefordert hatte, ist bei der Einigung nicht herausgekommen.
Monatelang hatten Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und auch das Land Niedersachsen für einen deutlich vergünstigten Strompreis geworben. An der Bundesregierung ist dieser Wunsch allerdings abgeperlt. Statt eines einheitlichen Industriestrompreises soll es nun eine leichte Senkung der Stromsteuer geben. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und die Wirtschaftsverbände reagieren entsprechend enttäuscht.
Weil: "Noch deutliche Fragezeichen"
Weil nennt die Idee zwar einen "Schritt in die richtige Richtung". Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen könnten entlastet werden. Gleichzeitig weist er aber darauf hin, dass es mit Hinblick auf die energieintensive Industrie "noch deutliche Fragezeichen" gäbe. Nach Weils Einschätzung könnte "nur eine mittlere zweistellige Zahl" von Firmen überhaupt in den Genuss eines günstigen Strompreises in Höhe von sechs Cent kommen. Für die Mehrzahl der energieintensiven Unternehmen sei eine deutliche Entlastung dagegen "noch nicht erkennbar".
Wirtschaftsverbände mit deutlicher Kritik
Ebenfalls kaum Entlastung sehen die Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN) in dem Paket aus Berlin. Der Verband schätzt, dass sich für rund 2.000 Unternehmen "nahezu nichts ändert". Unterm Strich verbessere das geplante Strompreispaket "nicht die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft", kritisiert UVN-Hauptgeschäftsführer Volker Müller. Die Strompreise seien nach seiner Einschätzung weiter etwa doppelt so hoch wie in den USA oder China. Auch der Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall wünscht sich langfristig deutlich günstigere Strompreise für die deutsche Wirtschaft: Es müsse zeitnah ein Strompreis von sechs Cent pro Kilowattstunde Strom für die ganze Industrie erreicht werden, so Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Verbands. Vom Arbeitgeberverband ChemieNord heißt es, die beschlossenen Maßnahmen erhalten lediglich den Status quo. "Die dringend nötigen zusätzlichen Entlastungen unserer Mitgliedsunternehmen zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sind leider noch nicht enthalten", so die Hauptgeschäftsführerin Sarah Saeidy-Nory.
Industriegewerkschaft: Industrie auf der Intensivstation
Ähnliche Kritik kommt von der Gewerkschaft IG BCE mit Sitz in Hannover. Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis findet, dass die geplanten Maßnahmen die Zukunftsfragen der energieintensiven Industrien "noch nicht umfassend" beantworten. Für diese Unternehmen reiche "die jetzige Medikation allerdings nicht, um von der Intensivstation zu kommen."
Stromsteuersenkung statt Industriepreis
Die Bundesregierung hat angekündigt, die Stromsteuer in den kommenden fünf Jahren zu senken. Gelten soll das ab 2024. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einer Entlastung für die Wirtschaft von bis zu zwölf Milliarden Euro allein im kommenden Jahr. Über Wege, die Industrie beim Strompreis zu entlasten, hatte es monatelang Unstimmigkeiten gegeben. Im internationalen Vergleich ist der deutsche Strompreis aktuell eher hoch. Für einen speziellen, abgesenkten Industriestrom geworben hatten vor allem energieintensive Branchen wie die Chemieindustrie oder Hersteller von Baustoffen.