Teilnehmer der Kundgebung "Aufstehen gegen Terror, Hass und Antisemitismus - in Solidarität und Mitgefühl mit Israel" vor dem Brandenburger Tor schwenken israelische Flaggen. © picture alliance/dpa | Monika Skolimowska Foto: Monika Skolimowska

Niedersachsen führt einheitliche Antisemitismus-Definition ein

Stand: 21.11.2023 18:55 Uhr

Eine einheitliche Definition, was Antisemitismus ist, gab es in Niedersachsen bisher nicht. Nun hat das Kabinett den Begriff der International Holocaust Remembrance Alliance übernommen. Doch neu ist der nicht.

von Mandy Sarti

Denn die International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), eine Organisation aus 34 Mitgliedsstaaten, hat den Begriff bereits 2016 verabschiedet. Darunter war auch Deutschland. In Niedersachsen wurde die Definition bisher nicht übernommen. Nach dem Motto "besser spät als nie" hat nun auch die Landesregierung diesen Begriff für sich festgeschrieben.

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Begriff umfasst auch Israel-Kritik

Die Definition besagt, dass es sich bei Antisemitismus um Hass gegenüber Jüdinnen und Juden handelt.

"Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein."

Der Landesbeauftragte gegen Antisemitismus, Gerhard Wegner, betonte, dass es immer wieder Probleme gebe, Antisemitismus zu definieren. Dies soll mit der einheitlichen Definition nun leichter werden. "Wir hoffen, dass wir jetzt noch mal deutlich machen, dass wir klar gegen jede Form von Antisemitismus stehen." Konkret soll der Begriff jetzt in Schulen, Gerichten und bei der Polizei angewendet werden. Denn laut Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) mussten die Beschäftigten sich bisher eine Definition im Internet "zusammenrecherchieren".

Beispiele für Antisemitismus

Unter anderem gelten folgende Fälle als antisemitisch:

  • Aufruf zur Tötung oder Schädigung von Jüdinnen und Juden.

  • Aberkennung des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung.

  • Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten.

Justizministerin rechnet mit deutlichem Anstieg von Verfahren

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel hat auch in Niedersachsen die Zahl antisemitischer Straftaten zugenommen. Das Justizministerium erfasst deshalb seit einem Monat gesondert die Verfahren, die im Zusammenhang mit der Hamas stehen. Laut Wahlmann gibt es in Niedersachsen bisher sechs solcher Verfahren. Allerdings geht sie davon aus, dass die Zahl deutlich zunimmt. Allein durch das Verbot der Parole "From the River to the Sea" sei mit mehr Straftaten zu rechnen. Konkret geht es bei dem Ruf um ein Palästina, das vom Jordan bis zum Mittelmeer bestehen soll. Der Beauftragte gegen Antisemitismus Wegner machte deutlich: Diejenigen, die das rufen, "meinen damit, dass sie einen neuen Holocaust, eine neue Shoah in Israel einleiten wollen. Die israelische Bevölkerung, die Jüdinnen und Juden aus dem Land treiben wollen." Diese Parole müsse aus dem öffentlichen Diskurs verschwinden. Sie sei ein Angriff auf die Menschenwürde.

"Antisemitismus fest verankert"

Gleichzeitig betonte Wegner, dass der Antisemitismus kein migrantisches Phänomen sei. In Deutschland sei ein latenter bis drastischer Antisemitismus fest verankert. Er verweist darauf, dass bereits vor zwei Jahren 20 Prozent der Deutschen Israel mit Nazi-Deutschland verglichen hätten. Dies sei eindeutig antisemitisch, sagte Wegner. Außerdem gebe es ein massives "Empathiedefizit" bei der Solidarität mit Israel.

Verfahren sollen nicht mehr wegen Geringfügigkeit eingestellt werden

Das Land will im kommenden Haushalt Geld für Präventionsprogramme bereitstellen. Außerdem hat die Justizministerin angeordnet, dass Gerichte Verfahren um Antisemitismus nicht mehr wegen Geringfügigkeit einstellen. Rebecca Seidler, Vorsitzende der Isrealitischen Kultusgemeinden Niedersachsen, sieht darin zumindest einen Hoffnungsschimmer: "In den vergangenen Jahren ist eindeutig zu wenig passiert." Die Schritte der Landesregierung seien nun ein Anfang.

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