Neubau statt Sanieren: Verpasste Investitionen in Niedersachsen

Stand: 21.08.2023 16:24 Uhr

Spatenstich: Niedersachsens Landeskriminalamt bekommt einen Neubau für 155 Millionen Euro. Das alte Gebäude ist - wie viele im Land - marode. Was bedeuten verschleppte Investitionen für die Generationengerechtigkeit?

von Mandy Sarti

Warten, warten, warten - und dann ganz neu bauen. Seit 20 Jahren wird der Neubau des LKA schon geplant, am Montag war nun der Spatenstich. Und der Neubau des Kriminaltechnischen Instituts ist laut LKA bitter nötig. Denn in den bisherigen Räumen in Hannover kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ihre Grenzen. Einige Räume können nur eingeschränkt benutzt werden, weil nötige Brandschutzauflagen nicht mehr erfüllt werden. 

Modernes Kriminaltechnisches Institut geplant

In Hannover soll auf rund 5.500 Quadratmetern eines der modernsten Landeskriminalämter in Deutschland entstehen - mit Röntgenraum, einem Schulungszentrum, mit einer Tatortwohnung und Hunderten Laboren. Kostenpunkt: 155 Millionen Euro plus 17 Millionen für die nötige Infrastruktur. Bezahlt aus Steuermitteln. Denn der Neubau ist wirtschaftlicher als die Sanierung des alten Gebäudes.

Land hat keinen genauen Überblick über Sanierungsstau

In Niedersachsen hat man über Jahre nicht ausreichend investiert. Am Gebäude der Staatsanwaltschaft in Hannover bröckelt der Putz von der Fassade. Universitäten und Behörden müssen dringend erneuert werden. Allein die energetische Sanierung der Landesgebäude, die bis 2035 abgeschlossen sein soll, kostet das Land 1,85 Milliarden Euro. Wie hoch der Sanierungsstau allerdings wirklich ist, weiß in Niedersachsen niemand so ganz genau. Auch nicht Finanzminister Gerald Heere (Grüne): "Ein Ziel der Koalition ist es, hierüber einen besseren Überblick zu verschaffen."

Landesrechnungshof schätzt Sanierungsstau auf 950 Millionen Euro

Nach Schätzungen des Niedersächsischen Landesrechnungshofs beläuft sich der Sanierungsstau bei landeseigenen Gebäuden auf mindestens 950 Millionen Euro. In der Rechnung nicht enthalten: die Hochschulen und die beiden Unikliniken in Hannover und Göttingen. Dafür aber die rund 5.000 Gebäude, die von Polizei und Justiz genutzt werden.

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Steuerzahlerbund kritisiert falsche Investitionen

Bernhard Zentgraf vom Bund der Steuerzahler ist überzeugt: In den vergangenen Jahren sei eindeutig zu wenig passiert. "Das Geld in der Landeskasse war vorhanden, wurde aber für andere Zwecke ausgegeben. Das Land braucht dringend eine Modernisierungs- und Sanierungsstrategie für die nächsten Jahre." Für Zentgraf steht fest: Die Landesregierung muss in künftigen Haushalten besser priorisieren. "Die Finanzmittel dafür darf sich das Land nicht über versteckte Schulden besorgen."

Landesjugendring bemängelt fehlende Generationengerechtigkeit

Die Kalkulation ist einfach: Wer nicht investiert, der muss in der Zukunft doppelt zahlen. Finanzminister Heere sagt: "Unterlassene Investitionen und Sanierungen sind versteckte Schulden zulasten kommender Generationen. Es ist damit zutiefst ungerecht gegenüber unseren Kindern und auch ziemlich kurzsichtig, ausschließlich auf Sparmaßnahmen zu setzen." Doch junge Menschen in Niedersachsen haben auch bei dieser Landesregierung offenbar nicht das Gefühl, ausreichend gehört zu werden. Die Landespolitik müsste viel häufiger auf die Bedürfnisse der jungen Menschen hören, sagt Regina Gehlisch, Vorstandssprecherin des Landesjugendrings. "Was wir vor allem sehen, ist, dass junge Generationen unter dem Investitionsstau leiden. Während in neue Gebäude investiert wird, verfällt die Infrastruktur, die eigentlich für junge Menschen gedacht ist. Junge Menschen sitzen in maroden Schulen und maroden Kindertagesstätten. Da braucht es dringend Investitionen."

Philosoph: "Es brennt an allen Ecken und Enden"

Auch der politische Philosoph Johannes Müller-Salo sieht dringenden Handlungsbedarf: "Die Probleme müssen angepackt werden. Denn die sind einfach riesig." In den vergangenen Jahren habe die Politik keinen Beitrag zur Generationengerechtigkeit geleistet. "Wir hatten sehr gute Jahre und jetzt brennt es an allen Ecken und Enden." Es gehe nicht mehr nur um die Sanierung und Instandhaltung - die aktuellen Krisen erforderten zusätzliche Investitionen in Digitalisierung, Klimaschutz und Außenpolitik.

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 21.08.2023 | 19:30 Uhr

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