Hektische Debatte um die Wölfe
Der Wolf geht um in Norddeutschland. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen wurde das Raubtier in den letzten Wochen vermehrt gesichtet. Egal ob in einem Wohngebiet in Wildeshausen oder auf der Jagd nach Schafen in der Nähe von Mölln - der Wolf fasziniert und ängstigt die Menschen gleichzeitig. Seit 15 Jahren breitet er sich aus in Deutschland. Von Sachsen und Brandenburg ist der Wolf nun auch in den Norden gekommen. Insgesamt leben zurzeit zwischen 240 und 300 Tiere hier, schätzen Experten. "Der Wolf findet es hier gut in Deutschland. Er findet Lebensräume mit so vielen Beutetieren, wie sonst nirgendwo in Europa", sagt Norman Stier, Wolfsexperte der Technischen Universität Dresden.
Symbol für eine intakte Umwelt?
Die Politik hat den Wolf jahrelang als Symbol für eine intakte Umwelt gefeiert. Jetzt ist er da und dringt weiter in den Lebensraum der Menschen ein als manchem lieb ist. So wurde im niedersächsischen Goldenstedt ein Wolf vor drei Wochen ganz in der Nähe eines Waldkindergartens gesichtet. Ein bunter Lappenzaun soll jetzt vor dem Raubtier schützen. Doch der Bürgermeister des Ortes, Willibald Meyer, steht der Rückkehr des Wolfes dennoch skeptisch gegenüber: "Ich weiß auch nicht, warum man jahrzehntelange mit großen Anstrengungen für die Rückkehr des Wolfes sich eingesetzt hat, aber kaum jemand der Frage nachgegangen ist, was passiert, wenn er denn wirklich zurückkommt."
Für manche ist der Wolf ein Problem-Wolf
Für Schäfer Werner Olschewski ist die Rückkehr des Wolfes schon zum Problem geworden. Der Wolf hat sechs seiner Schafe gerissen. Jetzt steht die Herde eng zusammengepfercht auf seinem Hof, obwohl sie eigentlich auf die Weide sollte. Das heißt für den Schäfer Mehrkosten für Futter und Mehrarbeit und er muss in neue Zäune für seine Weiden investieren. Maximal 15.000 Euro bekommt der Schäfer innerhalb von drei Jahren für all das vom Land Niedersachsen. Viel zu wenig, findet Olschewski, die Entschädigungszahlungen seien nichts als ein Tropfen auf dem heißen Stein. "Entweder wir bekommen alles bezahlt oder der Wolf muss wieder weg", sagt Olschweski.
Doch das Raubtier ist streng geschützt. Sein Abschuss ist verboten. Ausnahmen sind allerdings möglich, wenn verhaltensauffällige Wölfe dauerhafte Probleme in Wohngebieten oder auf Weiden verursachen. Doch was tun, wenn sich der Wolf immer weiter ausbreitet? Unter Politikern herrscht Uneinigkeit, wie in Zukunft mit dem wilden Tier umgegangen werden soll. Die Frage, ob der Wolf irgendwann gejagt werden darf, polarisiert die Interessenverbände. Eine Antwort aus der Politik gibt es bislang auch nicht. Für Almut Kottwitz, Staatssekretärin aus dem Umweltministerium in Niedersachsen stellt sich die Frage nach dem Abschuss noch gar nicht: "Wenn überhaupt, muss man erst von einer ausreichend stabilen Population reden. Da sind wir noch weit, weit davon entfernt."
Gefährliche Falle gefunden
Das sehen manche wohl anders. In der Nähe von Cuxhaven wurde gerade eine Fuchsfalle mitten in einem Wolfsrevier gefunden. Gefährlich für Tier und Mensch, meint Henning Voigt vom Landesjagdverband Mecklenburg-Vorpommern. Er fordert eine Entscheidung von der Politik: "Wenn die Politik nicht handelt, dann kann es natürlich auch dazu kommen, dass der Mensch sich irgendwann selbst hilft. Und das ist auch weder für den Wolf noch für den Naturschutz gut."
Wolfsforscher Norman Stier beobachtet, wie Wölfe in Deutschland ihren Lebensraum erobern. Auch er ist der Meinung, dass man um die Frage, ob und wann es genug Wölfe in Deutschland gibt, nicht herumkommen wird und rät vor allem zu einer sachlichen Debatte: "Der Wolf ist aus meiner Sicht ein ganz normales Wildtier, das ins Ökosystem gehört wie alle anderen auch. Was weder ein Kuscheltier ist, noch eine Bestie, die hier sonst was anstellt. Entscheidend ist, dass der Rahmen so ist, dass die Masse der Bevölkerung damit eben klarkommt."