Getöteter Vierjähriger: Lebenslange Haft für Eltern gefordert
Der Prozess um einen getöteten Vierjährigen aus Barsinghausen steht kurz vor dem Abschluss. Am Dienstag forderte die Staatsanwaltschaft lebenslange Haftstrafen für die Mutter und ihren Lebensgefährten.
Die Staatsanwaltschaft beantragte in ihrem Plädoyer am Dienstag vor dem Landgericht Hannover zudem die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Damit wäre eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren für beide Angeklagten unwahrscheinlich. Der Vierjährige habe ein kaum vorstellbares Martyrium erlitten, was in seinem Tod am 12. oder 13. Januar 2023 gipfelte, sagte Oberstaatsanwältin Bianca Vieregge.
Junge wurde offenbar mehrere Monate gequält
Die 29-jährige Mutter und der 34 Jahre alte Lebensgefährte hätten den Jungen über Monate schwerst körperlich und seelisch misshandelt sowie mit Essens- und Trinkenentzug bestraft, hieß es. Das unterernährte Kind musste stundenlang nackt mit erhobenen Händen knien und wurde unbekleidet ohne Decke über Nacht in eine dunkle Abstellkammer gesperrt. Nach unzähligen Schlägen unter anderem mit einem Fleischklopfer sei der lebensgefährlich verletzte Junge in das Zimmer seiner sechsjährigen Schwester gelegt worden, so Vieregge.
Oberstaatsanwältin zeigt sich schockiert über Gewalt
Sie habe in 15 Jahren keinen solchen Fall von massiver Gewalt gegen ein hilfloses Kind erlebt, sagte Vieregge und sprach von den Ängsten der Geschwister in der engen, verschlossenen Abstellkammer und von den Schlägen mit dem Fleischklopfer, nur weil der Sohn seine Mutter rief. "Wie muss es sich für die Schwester angefühlt haben, dass ihr Bruder quasi zum Sterben in ihr Zimmer gebracht wurde?", fragte Vieregge. Weil kein Arzt gerufen worden sei, sei das Kind langsam und mit erheblichen Schmerzen gestorben. Erst am nächsten Tag rief der 34-Jährige den Rettungsdienst und die Mutter startete Wiederbelebungsversuche. Das Paar behauptete dann, der Junge habe sich bei einem Treppensturz verletzt.
Mutter und Partner schickten sich per Chat Fotos der Misshandlungen
Die beiden Angeklagten hatten während des Prozesses eine Vielzahl der Vorwürfe eingeräumt - auch weil Chat-Verläufe und im Chat versendete Fotos des Jungen Absprachen über Gewaltexzesse belegten. Der Verteidiger der 29-Jährigen, Matthias Waldraff, sprach in Bezug auf die Chats von "Protokollen des Grauens", 700 bis 800 Seiten lang. Die Staatsanwaltschaft sieht die Mordmerkmale Grausamkeit und niedrige Beweggründe. Das Paar habe den Plan gefasst, den Kindern schwere Leiden zuzufügen und sich dabei gegenseitig kontrolliert und sogar angestachelt. Der 34-Jährige sah demnach in dem Jungen "einen Konkurrenten, der ihn in seiner täglichen Lebensgestaltung störte und in seiner Liebesbeziehung". Der Mutter sei es darum gegangen, ihre Liebesbeziehung fortzusetzen, was auf Dauer mit dem Sohn unmöglich gewesen wäre.
Gutachten: Beide Angeklagte sind voll schuldfähig
Nach Einschätzung des psychiatrischen Gutachters liegen bei beiden Angeklagten keine psychischen Krankheiten vor, die deren Schuldfähigkeit einschränken könnten. Der Verteidiger des 34-Jährigen, Timo Rahn, forderte für seinen Mandanten eine höchstens zehnjährige Haftstrafe lediglich wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen und Freiheitsberaubung. Sein Mandant habe laut Gutachten mit dem Fleischklopfer gegen den Rücken, die Beine, Hände und Arme geschlagen und keinen Tötungsvorsatz gehabt. Zudem könnte die sechsjährige Schwester als Hauptbelastungszeugin von der Mutter manipuliert worden sein. Das Mädchen war per Videovernehmung befragt worden.
Urteil soll kommenden Montag fallen
Waldraff forderte für seine Mandantin eine Freiheitsstrafe von höchstens zwölf Jahren. Die Frau habe während des Zusammenlebens mit ihrem neuen Partner ihr "Normgefühl" und ihren "Mutterinstinkt" verloren. Vor dem Umzug nach Deutschland im Mai 2022 habe sie ihre Kinder nicht misshandelt. Das Urteil in dem Prozess soll nach mehr als 20 Verhandlungstagen am 11. Dezember verkündet werden.