Ein Schild weist auf das Bundesarbeitsgericht hin, im Hintergrund laufen zwei Menschen. © picture alliance/dpa/Sebastian Kahnert Foto: Sebastian Kahnert

Gericht: Bei Beleidigungen im WhatsApp-Chat droht Kündigung

Stand: 24.08.2023 16:25 Uhr

Die Kündigungen von Beschäftigten der Fluggesellschaft TUIfly GmbH wegen Beleidigungen in einer geschlossenen WhatsApp-Gruppe könnten rechtens sein. Das hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschieden.

Mitglieder geschlossener Chatgruppen im Internet können bei rassistischen Äußerungen oder Beleidigungen von Arbeitskollegen nur im Ausnahmefall auf den Schutz durch Vertraulichkeit setzen. Ihnen kann eine außerordentliche Kündigung drohen, wenn menschenverachtende Pöbeleien öffentlich werden, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am Donnerstag in Erfurt. Die Erfurter Richter hatten die Frage zu klären, ob eine WhatsApp-Gruppe unter Kollegen ein geschützter Raum ist, in dem private Beschimpfungen von Chefs ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen ausgetauscht werden können.

Vertraulichkeit ist an Bedingungen geknüpft

Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine 2014 gegründete private, fünfköpfige WhatsApp-Gruppe bei der Fluggesellschaft TUIfly in Hannover. Im November 2020 wurde ein weiterer, ehemaliger Kollege mit in die Gruppe aufgenommen. Alle gelten als "langjährig befreundet". Für Deutschlands höchste Arbeitsrichter stellt eine WhatsApp-Gruppe nicht in jedem Fall eine Art geschützten, privaten Raum dar, in dem uneingeschränkt Vertraulichkeit gelte und Beschimpfungen oder Beleidigungen ohne arbeitsrechtliche Sanktionen ausgetauscht werden können. Die Vertraulichkeitserwartung hänge wesentlich von der Art der Nachrichten und der Größe der Gruppe ab, so das BAG in seiner Begründung. Gehe es wie hier um "beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben".

Rechtsprechung zu geschlossenen Chats bislang uneinheitlich

Nur wenn ein Arbeitnehmer in berechtigter Weise erwarten könne, dass die gravierenden Beleidigungen von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben werden und alles vertraulich bleibe, sei eine fristlose Kündigung ausnahmsweise unwirksam, so die Richter. Die Rechtsprechung zu ehrverletzenden Äußerungen in geschlossenen Gruppen von Messaging-Diensten ist nach Angaben von Fachleuten bisher uneinheitlich in Deutschland. Insofern dürfte das Urteil im Präzedenzfall aus Erfurt zur Rechtssicherheit beigetragen haben.

Echtheit des Chats ist bestätigt

Ausgangspunkt des aktuellen Verfahrens waren Teile eines Chats, in denen Arbeitskollegen der TUIfly aus Niedersachsen über einen Manager aus ihrem Unternehmen herzogen. Die Äußerungen gelangten zunächst an den Betriebsrat und dann an den Personalchef des Unternehmens: Ein weiterer Mitarbeiter hatte den Chatverlauf der Arbeitnehmer kopiert, nachdem ihm die Nachrichten gezeigt wurden. Die Echtheit wurde von einem der Beteiligten schriftlich bestätigt.

Arbeitgeber kündigt Mitgliedern der WhatsApp-Gruppe fristlos

In den Chats beleidigten die Arbeitnehmer laut Gericht einen ihrer Chefs mit rassistischen, teilweise menschenverachtenden und sexistischem Äußerungen. Sie riefen den Angaben nach zudem zur Gewalt auf, so ist von "in die Fresse hauen" die Rede. Weiter hieß es, dass etwa "Covidioten" "vergast“ werden sollten. Auch mit einem Anschlag wurde im Chat gedroht. Als der Arbeitgeber davon erfuhr, sprach er fristlose Kündigungen aus.

Arbeitsrechtler: Beleidigungen "krass und menschenverachtend"

Die Arbeitnehmer klagten darauf vor dem Arbeitsgericht Hannover und bekamen Recht: Der Arbeitgeber sollte ihnen Gehalt nachzahlen. Dagegen legte der Arbeitgeber vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen Berufung ein. Auch das Landesarbeitsgericht gab der Klage der Arbeitnehmer statt, ließ aber Revision zu. Dem war das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen noch gefolgt. Das BAG hob diese Urteile nun aber auf und verwies die Verfahren an die Vorinstanz nach Hannover zurück. Vor dem LAG in Hannover sollen die Kläger daher nun nochmals genauer begründen, warum sie auf die Verschwiegenheit aller Mitglieder der Chatgruppe vertraut hatten.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 24.08.2023 | 09:00 Uhr

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