"Gastro Plus": Langzeitarbeitslose kochen für Wohnungslose
Plötzlich keinen Job mehr zu haben, kann eine große seelische Belastung sein. In Osnabrück will das Projekt "Gastro Plus" gegensteuern und Langzeitarbeitslosen neue Chancen bieten.
Selbstzweifel, Existenzängste, schlaflose Nächte - lang andauernde Arbeitslosigkeit kann sich auf viele Lebensbereiche negativ auswirken. Die Familienbildungsstätte in Osnabrück hilft mit einem durchdachten Konzept gleich auf mehreren Ebenen: Langzeitarbeitslose kochen dabei in einer Großküche für bedürftige Familien oder auch für Wohnungslose. Daraus ergibt sich eine Win-Win-Situation für alle Beteiligen.
Das Motto: Raus aus der Bewegungslosigkeit
Frank Weigang war selbst lange arbeitslos und hat sich dann für das Programm entschieden. Er rührt in einem großen Suppentopf und brät parallel dazu kleingeschnittene Würste in einer Pfanne an. Ursprünglich hatte er vor mehr als 20 Jahren mal Industriemechaniker gelernt. Jetzt steht er am Herd und kocht für Leute, die sich sonst keine warme Mahlzeit leisten könnten: "Heute gibt es einen vegetarischen Möhreneintopf und die, die möchten, bekommen ein paar angebratene Mett-Endchen."
Durch einen Bandscheibenvorfall war er erst krankgeschrieben. Dann kam Corona und er war seinen Job endgültig los. Drei Jahre lang war er komplett ohne Arbeit, ohne geregelten Alltag und ohne wirkliche Perspektive. Seine Beraterin beim Arbeitsamt empfahl ihm, einfach eine Arbeitsgelegenheit aufzugreifen - einmal, um die körperliche Belastung zu testen, aber auch, um die soziale Komponente zu aktivieren. "Sie hat es etwas salopp ausgedrückt: 'Damit Sie mal wieder aus Ihrer Höhle rauskommen'", erklärt Weigang.
Eine Intervention, die wirkt
So ähnlich hat sich auch René Rose gefühlt, als er arbeitslos zu Hause saß. In der Großküche ist der 32-Jährige heute für die Salatbeilage zuständig. Hochkonzentriert schält er Rote Bete. Eigentlich hat er eine Ausbildung zur Fachkraft für Möbel, Küchen und Umzugsservice gemacht - und konnte bisher nur Nudeln kochen: "Ich bin, was Kochen betrifft, überhaupt nicht begabt, aber ich dachte mir, es wird mal Zeit für was Neues. Ich bin generell jemand, der für viele Sachen offen ist und gerne was ausprobiert."
Als ihm die Chance geboten wurde, am Projekt teilzunehmen, habe er zugeschlagen. Genau das ist die Idee hinter "Gastro Plus": Einfach mal was Neues ausprobieren und dabei wieder eine gewisse Struktur ins Leben bringen - eine Intervention.
Niederschwellig und erfolgreich
Das Projekt ist eine Kooperation des Osnabrücker Jobcenters mit der katholischen Familienbildungsstätte, in der auch die Großküche untergebracht ist. Von Seiten des Jobcenters kümmert sich Ilse Huser um die Projekt-Teilnehmer: "Wir schauen natürlich darauf, dass wir hier in erster Linie Teilnehmer haben, die ganz grob in den hauswirtschaftlichen Bereich gehen möchten. Und wir haben hier sehr große Erfolge. Viele der Teilnehmenden finden im Anschluss auch mit Unterstützung einen Arbeitsplatz." Dass sei für ein Projekt, das so niederschwellig ansetzt, eine große Besonderheit. Insgesamt werden hier 19 Langzeitarbeitslose parallel beschäftigt, in der Regel für ein halbes Jahr.
Die Ziele: Stabilisierung und Selbstwert
Es gebe zwar eine gute Vermittlungsquote, aber insgesamt verstehe sich das Ganze nicht als Vermittlungs- sondern als Stabilisierungsprojekt, sagt Ingrid Ketteler, die das Projekt von Seiten der Familienbildungsstätte betreut. Deshalb müsse bei der Arbeit nicht nur darauf abgezielt werden, Qualifikationen zu vermitteln, sondern auch darauf, den Teilnehmenden das Selbstwertgefühl zurückzugeben und sie als Menschen wertzuschätzen.
Vor Ort, bei der Arbeit, helfen sich die Teilnehmenden gegenseitig - in kniffligen Fällen werden sie von ausgebildeten Köchen unterstützt. Kochen ist Team-Sport und dabei ist René Rose in der Küche richtig aufgeblüht: "Ich habe hier Seiten an mir entdeckt, die ich vorher gar nicht kannte. Und die Küche ist auf jeden Fall jetzt eine Zukunftsoption für mich!"
Ehemaliger Teilnehmer jetzt in Festanstellung
Der Möhreneintopf von Frank Weigang ist fast fertig. Er muss ihn nur noch kurz abschmecken, bevor die ersten 20 Portionen als warmes Mittagessen zu einer Wohnungslosen-Einrichtung geliefert werden. Zusätzlich wird hier auch für bedürftige Familien gekocht. Dass sie anderen helfen können, spornt viele zusätzlich an: "Es ist eine sinnvolle Tätigkeit. Man bastelt ja nicht irgendwas, was dann weggeworfen wird."
Auch das Feedback der Menschen spielt eine Rolle. Viele der Bedürftigen würden sich im Nachhinein bedanken und sagen, dass es ihnen geschmeckt hat. Das sei die Sinnhaftigkeit an der Arbeit. Durch das Projekt "Gastro Plus" hatte Frank Weigang endlich wieder ein klares berufliches Ziel vor Augen: Er wollte auch langfristig in einer Küche arbeiten, dort sein eigenes Geld verdienen und so wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen. Sein Wunsch ist Wirklichkeit geworden: Als ehemaliger Teilnehmer ist er jetzt fest im Projekt angestellt.