Behördenleck in 16-Tonnen-Kokain-Verfahren: Razzia bei IT-Firma
Heute Morgen durchsuchten Polizeibeamte eine IT-Firma in Celle. Die Aktion steht offenbar im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen einen Staatsanwalt, der eine Kokainbande vor Razzien gewarnt haben soll.
Die IT-Firma war Jahre lang für die Polizei tätig. Laut öffentlich einsehbaren Unterlagen wurde sie von einem verurteilten Mitglied einer Kokainbande gegründet. Die Firma bietet IT-Schulungen an. Nach Informationen des NDR war sie auch über viele Jahre hinweg für die Zentrale Polizeidirektion Niedersachsen (ZPD) im Einsatz.
Kokainbande - wurden Mitglieder gewarnt?
Die Drogenbande gilt als verantwortlich für den größten Fund von Kokain, der je in Deutschland gemacht wurde: 16 Tonnen stellte der Zoll im Februar 2021 sicher. Die mutmaßlichen Köpfe der Bande sind flüchtig. Ihre eigene Kommunikation in kryptierten Chats, die dem NDR vorliegen, legt den Verdacht nahe, dass sie gewarnt worden sind. Im Herbst 2024 wurde deshalb der hannoversche Staatsanwalt Yashar G. festgenommen, er sitzt seither in Untersuchungshaft. Er steht im Verdacht, Ermittlungsergebnisse an die Bande weitergegeben zu haben, wofür er Geldzahlungen erhalten haben soll. Yashar G. hatte die Ermittlungen gegen die Drogenbande geleitet. Der beschuldigte Staatsanwalt bestreitet alle Vorwürfe gegen ihn, machte sein Anwalt gegenüber dem NDR deutlich. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Gab es einen Zugriff auf Polizeidaten?
Die heute durchsuchte IT-Firma wurde 2010 von dem verurteilten Mitglied der Kokainbande gegründet. Der Mann hatte die Firma 2021 verlassen, heißt es in offiziellen Unterlagen, seither wird sie von einem Familienmitglied des Mannes geführt. Ein Sprecher des Innenministeriums teilte auf Nachfrage mit, die ZPD habe in den vergangenen fünf Jahren "eine Anzahl von Verträgen im unteren zweistelligen Bereich" abgeschlossen. Hierbei sei es ausschließlich um Aus- und Fortbildungsmaßnahmen gegangen. Im Jahr 2024 hat die Firma insgesamt sechs Verträge für die Zentrale Polizeidirektion Niedersachsen umgesetzt. Zu welchem Zeitpunkt der letzte Vertrag beendet wurde, wollte das Innenministerium nicht beantworten. Ein Sprecher teilte mit, dass die IT-Firma "zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf polizeiliche Datenbestände" gehabt habe.
Hinweise gab es schon seit mehreren Jahren
Wie und zu welchem Zeitpunkt die Ermittlerinnen und Ermittler auf die Firma aufmerksam wurden, ist unklar. Bereits in der Vergangenheit war immer wieder der Verdacht aufgetaucht, dass es auch einen Maulwurf in der IT-Verwaltung der Polizei geben könnte. So hatte sich ein anderes Mitglied der Kokainbande im Herbst 2022 an das LKA Niedersachsen gewandt, um eine Aussage zu machen. Allerdings verlangte der Mann, der zu diesem Zeitpunkt bereits in Untersuchungshaft saß, dass von dem Gespräch keinerlei elektronische Aufzeichnungen angefertigt werden sollten. Als Grund gab er an, dass er befürchte, dass "jemand aus der IT, die Programme/Systeme der Polizei betreut oder damit arbeitet, diese Aufzeichnungen auffinden könnte". In Ermittlungsunterlagen, die der NDR einsehen konnte, heißt es weiter, dass "diese Person, welche Informationen an Kriminelle (…) herausgegeben habe, mit IT bei der Polizei zu tun habe" und "dass die Person wohl soweit schauen könne, (…) bis dessen Datenzugriff dann protokolliert" werde. Dies würde wohl schon ausreichen." Gemeint ist offenbar, dass eine Person auf Polizeidaten zugreifen konnte, ohne dabei registriert zu werden.
Sprecherin des Justizministeriums bestätigt Razzia
Das Unternehmen wurde offenbar wegen des Verdachts der Anstiftung zur Verletzung des Dienstgeheimnisses durchsucht. Eine Sprecherin des Justizministerium bestätigte dem NDR, dass die Firma durchsucht wurde. Die Razzia sei inzwischen beendet. Weiter könne sie sich aus ermittlungstaktischen Gründen nicht äußern. Eine Sprecherin der betroffenen Firma erklärte, die Vorwürfe seien an den Haaren herbeigezogen.