Aus Protest geschlossen: Viele Apotheken bleiben zu

Stand: 14.06.2023 21:13 Uhr

Viele Apotheken in Deutschland sind am Mittwoch geschlossen geblieben - auch in Niedersachsen. Aus Protest: Apotheker fordern mehr Unterstützung von der Politik. Der Medikamentenmangel macht ihnen zu schaffen.

von Claudia Wohlsperger

Noch immer sind in Deutschland rund 500 Medikamente von Lieferengpässen betroffen. Es kann also gut sein, dass Patientinnen und Patienten in der Apotheke Ersatzmedikamente bekommen oder gar mit leeren Händen wieder nach Hause geschickt werden. "Wir lösen tagtäglich Probleme, die wir nicht selbst geschaffen haben," sagte Cathrin Burs, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen. Das sei ein enormer Mehraufwand. Wie viele Apotheken sich am Protesttag beteiligen haben, ist unklar. Patientinnen und Patienten konnten sich an Notdienstapotheken wenden.

Immer weniger Apotheken vor Ort

Auch der Fachkräftemangel, steigende Personal- und Energiekosten und zu viel Bürokratie belasten die Apotheken. Schon jetzt gibt es in Niedersachsen 368 Apotheken weniger als noch 2009. Allein in diesem Jahr sind nach Angaben der Apothekerkammer bereits zehn geschlossen worden, neu eröffnet wurde keine einzige. 1.745 Apotheken gibt es aktuell noch in Niedersachsen. So wenige wie seit knapp 40 Jahren nicht mehr. Burs fürchtet, die Politik spare die Apotheken vor Ort kaputt. Dabei geht es gleich um mehrere gesetzliche Regelungen.

Kein Anreiz für die Selbstständigkeit

Wie viel Geld die Apotheken bekommen, ist gesetzlich geregelt. Für verschreibungspflichtige Medikamente gibt es ein Fixhonorar von 8,35 Euro, dazu dürfen sie einen Zuschlag von drei Prozent des Einkaufspreises erheben. Dieses Honorar sei seit 2013 nicht angepasst worden, beklagt der Landesapothekerverband Niedersachsen (LAV). Damit gibt es aus Sicht des Vorstandsvorsitzenden des LAV, Berend Groeneveld, keinen Anreiz für junge Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, sich selbstständig zu machen. Diese Honorare zu erhöhen ist eine zentrale Forderung der Apotheken zum Protesttag. Allein: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erteilte ihr in der "Bild am Sonntag" bereits eine Absage: Auch die Krankenkassen hätten Finanzprobleme, für höhere Apothekenhonorare sei im Moment kein Raum. Der grüne Bundestagsabgeordnete Janosch Dahmen sieht wegen des Sparzwangs ebenfalls wenig Chancen auf höhere Honorare für die Apotheken. Allerdings profitierten auch sie von anderen Instrumenten wie der Gas- und Strompreisbremse.

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"Fass zum Überlaufen gebracht"

Schon im Oktober hatte der Bundestag ein Finanzstabilisierungsgesetz für die gesetzlichen Krankenkassen verabschiedet. Das betrifft auch die Apotheken: Während ihr Honorar stagniert, müssen sie an anderer Stelle nun mehr zahlen. Der sogenannte Apothekenabschlag wurde mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz zum 1. Februar von 1,77 Euro je Arzneimittel auf 2 Euro angehoben. Groeneveld vom LAV nennt das den Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Hinzu kommen die Lieferengpässe. Zwar arbeiten Bundesregierung und Bundestag derzeit an einem Gesetz, um die Arzneimittel-Lieferengpässe zu bekämpfen. Darin ist auch eine Art Aufwandsentschädigung von 50 Cent für die Apotheken vorgesehen - für Medikamente, die nicht lieferbar sind und für die sie Rücksprache mit den Ärztinnen und Ärzten halten müssen. Eine bodenlose Unverschämtheit nennt das der Bundesverband Deutscher Apothekerverbände. Konservativ geschätzt, heißt es dort, fielen sechs Arbeitsstunden pro Woche für den Mehraufwand an. Teilweise sei es aber mehr als das Dreifache.

Kann das Gesetz gegen Lieferengpässe das Problem lösen?

Dass das neue Gesetz viel an den Engpässen ändert, glaubt Groeneveld vom Landesapothekerverband nicht. Er ist überzeugt: "Die Lieferengpässe werden auch nach Inkrafttreten des Gesetzes den Apothekenalltag bestimmen." Um die Situation zu verbessern, fordern die Apothekerinnen und Apotheker mehr Entscheidungsfreiheit. Ein Beispiel: Ist zurzeit nicht genau das verschriebene Medikament da, muss der Arzt angerufen werden, und das kostet zusätzlich Zeit. 

"Geht auch um Versorgung der Bevölkerung"

Apothekerkammer-Präsidentin Cathrin Burs betont: Bei alledem gehe es auch um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Dafür müsse die Politik Geld in die Hand nehmen. Am Streiktag selbst musste sich aber niemand Sorgen um die eigene Versorgung mit Medikamenten machen. Die Apotheken hätten immer, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, einen Notdienstplan - der galt auch am Mittwoch.

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