Agrirouter hilft Landwirten bei der Vernetzung
Das iPhone will nicht mit dem Windows-Computer, der Drucker nicht mit dem Tablet. Wer viele digitale Geräte nutzt, kennt das Problem: Oft können unterschiedliche Betriebssysteme nicht miteinander kommunizieren. Das nervt nicht nur die Verbraucher, sondern sorgt auch in der Landwirtschaft für Probleme. Denn viele Landmaschinen - wie Trecker, Pflug oder Melkmaschine - werden mittlerweile digital gesteuert, erheben und versenden Daten. Die NDR Info Perspektiven stellen ein Unternehmen aus Osnabrück vor, das die Kommunikation zwischen den Maschinen verbessern will.
Michael Seelmeyer steht in seinem Bullenstall im niedersächsischen Neuenkirchen. Dort ist die Digitalisierung längst angekommen. Die Rinder werden von einem Roboter gefüttert. Der Landwirt kann mit seinem iPhone oder PC darauf zugreifen und alles kontrollieren. "Da kann ich sehen, ob er alles so gemacht hat wie ich das wollte und kann auch die Parameter verändern, Kraftfuttermenge pro Tier oder die Fütterungszeiten", erklärt er.
Auch der Ackerbau läuft dort mit digitaler Unterstützung. Seelmeyers Traktoren schicken Daten an andere Maschinen oder direkt in sein Büro. So bekommt er nicht nur eine Dokumentation, sondern kann auch Sprit, Dünger oder Saatgut sparen. Doch rund läuft das selbst bei technikaffinen Bauern wie Seelmeyer nicht immer. Besonders wenn nicht alle Maschinen und Betriebssysteme von einer Marke stammen: "Einiges funktioniert gut, anderes nicht. Es gibt die typischen herstellerabhängigen Probleme. Das sind dann so die Hürden, die man nehmen muss. Oft hängt es auch damit zusammen, worauf sich einzelne Programmierer spezialisiert haben."
Neue Software ist nicht an Hersteller gebunden
Lösen soll diese Probleme künftig der Agrirouter. Die Daten-Austausch-Plattform wurde speziell für Landwirte entwickelt. Geräte und Apps verschiedener Marken sollen so in einer einheitlichen Computersprache miteinander kommunizieren können. Ins Leben gerufen wurde er gemeinsam von rund 20 Landtechnik-Marken. Die Unternehmen bezahlen gemeinsam die Kosten der Software-Entwicklung und das Gehalt von drei Mitarbeitern, die das Projekt von Osnabrück aus koordinieren. Bisher sei es eher die Regel gewesen, dass die Hersteller ihre Dinge selbst für sich entwickelt haben, erklärt Geschäftsführer Jens Möller. "Hier hat sich jetzt eine Gruppe zusammengetan, die Digitalisierung herstellerübergreifend möglich machen will. Sonst kann man das Potential in keiner Weise heben", erklärt er weiter.
Datensicherheit wird garantiert
Seit Ende Februar können Landwirte den Agrirouter nutzen. Bisher haben sich schon 500 von ihnen angemeldet. Das Angebot ist für sie kostenfrei. Jens Möller erklärt die Hintergründe: "Der strategische Ansatz der Gesellschafter ist, dass ihre Maschinen eine möglichst hohe Konnektivität zu anderen Markteilnehmern haben. Das erhöht natürlich die Attraktivität der Maschinen." Wichtig ist den Projekt-Machern auch die Datensicherheit. Über den Agrirouter werden Informationen nur ausgetauscht, nicht gespeichert oder analysiert. Nur der Landwirt entscheidet, wem er Informationen über seinen Acker oder seine Tiere zugänglich macht. Das ist auch für Landwirt Seelmeyer wichtig, der die Software bereits nutzt: "Ich möchte bestimmen, wer die Daten frei oder beschränkt nutzen darf. Die Daten müssen ja auch interpretiert werden und sollen nicht in die Hände derjeningen gelangen, die das nicht können und sollen."
Große Unternehmen ziehen sich zurück
Der Agrirouter ist offen für alle Landmaschinen-Hersteller, die sich daran beteiligen wollen - weltweit. Einige wichtige Marktführer der Branche wie John Deere und Claas haben sich aber nach einer anfänglichen Mitarbeit dagegen entschieden. Beide Unternehmen verweisen darauf, dass ihnen der Agrirouter als Projekt nicht international genug sei. "Wir glauben, dass Lösungen für den Datenaustausch weltweit verfügbar sein müssen", heißt es von Claas. Es brauche weltweit agierende Normungsgremien, heißt es von John Deere. Ein kostenpflichtiges Konsortium mit nationalem oder europäischem Fokus sei nicht sinnvoll. Hubertus Paetow, Präsident der deutschen Landwirtschaftsgesellschaft, vermutet allerdings eine andere Motivation hinter dem Ausstieg der Branchen-Riesen. Sie wollten Kunden durch ihre Software an sich binden, kritisiert er: "Diese Abhängigkeit ist heute schon zu sehen. Dahinter steckt der Log-In-Ansatz. Also ich biete jemandem eine Software an und wenn der sich erst mal darauf eingelassen hat, kommt er da nicht mehr heraus, weil er seine Daten nicht mehr herausbekommt und seine Prozesse darauf einstellt."
Politisches Engagement ist gefragt
John Deere weist das zurück. Das Unternehmen sei zwar beim Agrirouter nicht dabei, engagiere sich aber bei der Implementierung anderer einheitlicher Daten-Schnittstellen. Auch die Unternehmenskommunikation verweist auf ein eigenes Produkt: MyJohnDeere.com werde bereits heute von weltweit über 100 externen Landtechnikfirmen, Softwareanbietern und anderen Unternehmen für den freien Datenaustausch genutzt. Ohne die großen Landtechnikfirmen werde der Agrirouter wenig Chancen haben, sich durchzusetzen, fürchtet Paetow von der DLG. Er hofft deswegen auf politische Initiativen, etwa eine sogenannte "Agrar-Master-Plattform", die von der großen Koalition in Berlin geplant ist. Die muss aber erst noch entwickelt werden. Da habe der Agrirouter zumindest einen großen Zeitvorteil, sagen die Macher.