Zwei Zollbeamte stehen vor einem Tisch mit beschlagnahmten Kokain. © Screenshot

16-Tonnen-Kokain-Fund: Haupttäter sind noch immer flüchtig

Stand: 12.02.2025 12:45 Uhr

Am 12. Februar 2021 wurde ein 16-Tonnen-Kokain-Fund im Hamburger Hafen bekannt - geschmuggelt von einer Drogenbande aus Hannover. Der bis dato größte Drogenfund in Deutschland. Doch bisher konnte nur ein Teil der Täter verurteilt werden.

von Mandy Sarti, Angelika Henkel, Benedikt Strunz

Im Dezember 2020 legt in Argentinien ein gewöhnliches Container-Schiff ab. Ziel: der Hamburger Hafen. Doch an Bord ist nicht nur gewöhnliche Fracht. Das Schiff hat fünf Container mit netto 16 Tonnen Kokain aus Paraguay geladen. Geschmuggelt von einer Drogenbande aus Hannover. In den Folgetagen kommuniziert die Bande über den verschlüsselten Chat SkyECC. Die Nachrichten liegen dem NDR vor. Ein Mitglied schreibt darin: "Pakete sind dreimal umschweißt. Eingelegt in Lack/Farbe. Die Dosen mit einer dicken weißen Schicht ummantelt."

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Straßenwert des Kokains zwischen 1,2 bis 3,5 Milliarden Euro

Was die Bande zu dem Zeitpunkt nicht weiß: Internationale Fahnderinnen und Fahnder lesen die Nachrichten längst mit. Die Zollfahndung greift deshalb im Februar 2021 die Container im Hamburger Hafen ab und findet das Kokain. Und zwar so, wie von dem Mitglied der Drogenbande beschrieben: aufwendig verpackt in Spachtelmasse. Der Straßenwert laut Zoll: 1,2 bis 3,5 Milliarden Euro. "Die Sicherstellung einer derart großen Menge Kokain ist für die Staatsanwaltschaft Hannover bisher einmalig", macht ein Behördensprecher vier Jahre nach dem Fund gegenüber dem NDR deutlich. Besonders sei dabei vor allem, wie international verflochten die Einfuhr der Drogen organisiert war.

"Katz-und-Maus-Spiel" zwischen Behörden und Kriminellen

"Der eigentliche Ermittlungserfolg kam erst im Nachgang", ist Daniel Brombacher von der Global Initiative Against Transnational Organized Crime überzeugt. Denn den Ermittlerinnen und Ermittlern sei es es gelungen, die Beteiligten detailliert auszuermitteln. Brombacher forscht schon seit Jahren zur Organisierten Kriminalität und weiß um das ewige "Katz-und-Maus-Spiel" zwischen Behörden und Kriminellen. Mit den ausgewerteten, verschlüsselten Chats hätten zum ersten Mal die Ermittlerinnen und Ermittler die Nase vorn gehabt, macht Brombacher deutlich.

Großteil der Beschuldigten inzwischen verurteilt

Tatsächlich gelingt es den Behörden, 20 Beschuldigte auszumachen, die an der Einfuhr des Kokains beteiligt gewesen sein sollen. Der Großteil ist inzwischen verurteilt. Doch das Netzwerk ist noch viel größer: Denn einige Mitglieder der Bande aus Hannover sollen schon länger mit Drogen gehandelt haben. Zuerst soll sie im großen Stil Marihuana und Haschisch aus Spanien und dann Kokain aus Südamerika nach Deutschland geschmuggelt haben. Der Deal mit dem Kokain sei für die Bande - wie sie in den Chats selbst sagt - der "Aufstieg in die Champions League". Brombacher erklärt: "Ein Dutzend bis zwei Dutzend Personen gehören zum engeren Kreis solcher Banden." Dabei übernehmen die Personen unterschiedliche Rollen. Es gebe Broker, die in Südamerika Kokain und Abnehmer zueinanderbringen. Und eben auch Dienstleister, die zum Beispiel dafür bezahlt werden, die Drogen aus dem Hafen zu holen.

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Behördenleck wirft Schatten auf Ermittlungserfolg

Doch auch wenn die Ermittlerinnen und Ermittler viele Beschuldigte ausmachen konnten, sind ihnen auch einige entwischt. Führende Köpfe der Drogenbande konnten sich nach Dubai, Spanien und in die Türkei absetzen. Schon 2022 gehen die Behörden in Niedersachsen von einem Leck in den eigenen Reihen aus. Seit Oktober 2024 sitzt Staatsanwalt Yashar G. aus Hannover in Untersuchungshaft. Er soll die Bande gegen Geld mit Ermittlungsinterna versorgt haben - so wirft es ihm die Staatsanwaltschaft Osnabrück in ihrer Anklage vor. Der Staatsanwalt selbst bestreitet die Vorwürfe, teilte sein Anwalt dem NDR auf Anfrage mit.

Kokain weiter in rauen Mengen verfügbar

Ein Schatten, der über dem Ermittlungserfolg liegt. Und Kokain gibt es weiterhin auf dem Schwarzmarkt. "Die 16 Tonnen klingen zwar sehr viel, sind aber letztlich dann doch eher ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Jörn Memenga vom Bund deutscher Kriminalbeamter. Offen ist außerdem, ob die Bande weiter aktiv ist. Immerhin wurden die Köpfe bisher nicht gefasst. Daniel Brombacher hält ein Agieren aus dem Ausland zumindest für möglich. Einen großen finanziellen Anreiz haben sie jedenfalls. Für die Einfuhr der 16 Tonnen musste die Bande nämlich in Vorkasse gehen und sich dafür Geld leihen: "Die Personen, die sich absetzen konnten, haben natürlich ein Problem: Die Ware ist weg, aber die Schulden bleiben."

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