Windkraft-Ausbau in Mecklenburg-Vorpommern geht zu langsam voran
Der Ausbau der Windkraft an Land kommt in Mecklenburg-Vorpommern trotz der politisch gewollten Energiewende weiter nicht voran. Seit Jahresbeginn sind nach vorläufigen Branchen-Angaben elf neue Windräder aufgebaut worden.
Unterm Strich fällt die Bilanz in der ersten Jahreshälfte sogar noch magerer aus. Denn weil gleichzeitig neun alte Windräder abgebaut wurden, sind im Nordosten nur zwei Windkraft-Standorte neu dazugekommen. Zum Vergleich: In Brandenburg waren es mit 21 gut zehn Mal so viele. In Schleswig-Holstein stehen sogar 48 zusätzliche Windräder. Das geht aus Zahlen des Portals "Windbranche.de" hervor, das sich auf aktuelle Angaben der Bundesnetzagentur beruft.
Mängel auch bei der Stromleistung
Auch bei der Stromleistung der neuen Windräder an Land schneidet Mecklenburg-Vorpommern vergleichsweise schlecht ab: 30 Megawatt sind zwischen Anklam und Zarrentin hinzugekommen. Mit dieser Leistung könnten 20.000 bis 35.000 Haushalte im Jahr mit Strom versorgt werden. Allerdings: Allein in Hessen, das nicht als Windkraftland bekannt ist, sind im ersten halben Jahr rund 80 Megawatt Windenergie-Leistung ans Netz gegangen. Und beim deutschen Windkraft-Primus Niedersachsen schlagen gut 140 Megawatt zu Buche - vier Mal so viel wie im Nordosten.
"Genehmigungsstau" sorgt für stockenden Ausbau
Der Ausbau in Mecklenburg-Vorpommern sei "absolut zäh", kritisiert der Vorsitzende des Landesverbandes Erneuerbare Energien, Johann-Georg Jaeger. Der 57-Jährige ist Windanlagen-Betreiber und ehemaliger Landtagsabgeordneter der Grünen. Er beklagt, dass 900 Anlagen im "Genehmigungsstau" stecken. Die zuständigen Staatlichen Umweltämter würden bei Einwänden gegen geplante Windräder in vielen Fällen schlicht nicht entscheiden und das am Ende den Gerichten überlassen. Das Oberverwaltungsgericht Greifswald entschied zuletzt für Windanlagen-Betreiber, die den Bau der Turbinen "einklagten".
Jaeger gab Umweltminister Till Backhaus (SPD) eine Mitschuld am schleppenden Ausbau. Backhaus stärke seinen Mitarbeitern in den Genehmigungsbehörden nicht den Rücken - es gebe in den Ämtern "fast eine Arbeitsverweigerung". Dabei müssten Genehmigungsverfahren deutlich vereinfacht und beschleunigt werden. Genau das hatte Backhaus zuletzt immer wieder zugesagt - auch bei Reden im Landtag. Unter anderem sollte der Einfluss der Denkmalschutzbehörden zurückgedrängt werden. Windkraft-Lobbyist Jaeger hofft auf Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Die sollte Backhaus einen "Stubser" geben - bisher sei da aber nichts passiert.
Neues Personal muss eingearbeitet werden
Backhaus' Ministerium hat der Darstellung Jaegers widersprochen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien habe Priorität und werde im Landesklimaschutzgesetz eine zentrale Rolle spielen. "Das heißt aber nicht, dass das Thema ein Selbstläufer ist", heißt es einschränkend in einer Stellungnahme. Die Genehmigungsverfahren seien kompliziert und müssten Aspekte wie Denkmalschutz, Artenschutz oder Bodenschutz berücksichtigen. "Mecklenburg-Vorpommern als Urlaubsland mit einer einmaligen Naturausstattung wird hierbei eine besondere Verantwortung zuteil", so das Ministerium.
Es verweist auf zusätzliches Personal in den staatlichen Umweltämtern, das helfen soll, die Antragsverfahren zu beschleunigen. Allerdings sei es "vermessen zu glauben, dass innerhalb weniger Wochen mit einer Beschleunigung an Entscheidungen zu rechnen ist". Der Antragsstapel sei groß und das zusätzliche Fachpersonal müsse eingearbeitet werden. In diesem Jahr - so das Ministerium - wurden bislang 17 Anlagen genehmigt. Bis zu deren Fertigstellung vergehen im Schnitt 20 Monate.
Sieben Windräder in einem Jahr
Eine aktuelle Studie der Fachagentur für Windkraft an Land belegt, dass sich die Genehmigungsverfahren in Mecklenburg-Vorpommern hinziehen. Rund 33 Monate dauern die behördlichen Prüfungen für ein neues Windrad im Schnitt. Das sind fast drei Jahre - nur Hessen ist langsamer. Die Zahlen aus Mecklenburg-Vorpommern stehen im deutlichen Kontrast zu den Zielen der Ampel-Koalition in Berlin. Die will die Erneuerbaren Energien ausbauen, um dem Klimawandel zu begegnen und die Energieunabhängigkeit zu stärken. In Deutschland sollen deshalb bis 2030 täglich "vier bis fünf neue Windräder" an Land entstehen. Das kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Februar an. Nach den bisherigen Daten trägt seine Parteigenossin in der Schweriner Staatskanzlei wenig dazu bei, dieses Ziel zu erreichen. Im vergangenen Jahr sind in Mecklenburg-Vorpommern an 365 Tagen gerade einmal sieben neue Windräder dazugekommen. Mit den zwei neuen Standorten im laufenden Jahr zeichnet sich eine noch schlechtere Bilanz ab.