Swinetunnel - Fluch oder Segen?
Im Juni soll der Swinetunnel in Betrieb gehen. Er verbindet nach der Eröffnung Usedom und Wollin. Für den Tourismus könnte der Tunnel ein Segen sein, Insulaner sorgen sich aber wegen des zunehmenden Verkehrs.
Swinemünde, das heutige Swinoujscie, ist eine Stadt auf zwei Inseln. Der Fluss Swine teilt sie in den Usedomer und Wolliner Teil. Eine Brücke gibt es nicht. Autofahrer und Fußgänger kommen nur mit Fähren, die im Halbstundentakt zwischen den Inseln pendeln, auf die jeweils andere Seite. In vier Wochen geht nun nach rund zehn Jahren Planungs- und Bauzeit der Swinetunnel in Betrieb. Für die polnische Grenzstadt dürfte sich damit vieles verändern. Und auch für Usedom-Urlauber könnte der mehr als 200 Millionen Euro teure und überwiegend von der EU bezahlte Tunnel die Reise an die Küste erleichtern.
Pläne für Swinetunnel bereits in den 1930er Jahren
Die Pläne für einen Tunnel sind nicht neu. In den 1930er Jahren explodierte im damalige Kaiserbad Swinemünde der Tourismus. Es kamen immer mehr Reisende mit dem Auto. Wer über Stettin anreiste, musste mit der Fähre übersetzen. Belegt ist, dass im Geschäftsjahr 1932/33 rund 25.000 Autos und rund 600.000 Menschen über die Swine gebracht werden mussten. Deshalb wurde Ende der 1930er-Jahre eine Firma beauftragt, einen Auto- und Eisenbahntunnel zu planen. Kriegsbedingt wurde das Projekt 1941 aufgegeben.
Pläne für Tunnel werden nach EU-Beitritt konkret
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Swinemünde eine polnische Stadt und ist vom Landweg ins Hinterland abgeschnitten. Der Bau einer Brücke ist immer mal wieder ein Thema. Doch erst nach der politischen Wende werden die alten Pläne wieder aufgegriffen. 2007 unterzeichnen schließlich Regierung und Stadt einen Vertrag für den Bau einer Verbindung. Gut zehn Jahre dauert es aber noch, bis die Stadt Swinemünde ein Konsortium für den Bau eines Tunnels beauftragen kann. Erste Arbeiten beginnen dann 2019. Knapp zwei Jahre später, im März 2021 geht der chinesische Bohrer in Betrieb. Die Maschine, immerhin 13 Meter im Durchmesser und rund 100 Meter lang, schafft Ende September 2021 auf Wolliner Seite den Durchbruch. Der knapp zwei Kilometer lange Tunnel wird anschließend ausgebaut, bekommt Notausgänge und Sicherheitssysteme, Zufahrtsstraßen entstehen. Die Betriebsgenehmigung soll der Tunnel am 20. Juni 2023 bekommen.
Swinemünde hofft auf wirtschaftliche Entwicklung
Gewerbe, Industrie und Hafen liegen auf Wolliner Seite im Osten der Stadt. Viele Menschen leben jedoch im Usedomer Teil. So müssen viele täglich mit der Fähre zur Arbeit pendeln. "Für diese Arbeitnehmer geht viel Zeit verloren, vor allem in der Hochsaison, wenn auch viele Urlauber die Fähren nutzen", erklärt Swinemündes Stadtpräsident, Janusz Żmurkiewicz. Er ist sich sicher, dass der Tunnel deren Situation deutlich verbessern wird, aber auch die wirtschaftliche Entwicklung ankurbelt. Er rechnet mit einem deutlichen Ausbau des Kurviertels im Westen der Stadt. Der Tourismus profitiere vom Tunnel. Die Zahl der Feriengäste aus beiden Ländern werde seiner Prognose nach steigen.
Sorge vor Verkehrsinfarkt
Mit dem Tunnelprojekt hat Swinemünde auch viel Geld in den Ausbau der städtischen Straßen gesteckt. Und, so erklärt der Stadtpräsident, sind auch mehr als 5.500 Parkplätze neu entstanden. Hinzu kommt, dass die Republik Polen die Staatsstraße 3 zwischen Swinemünde und dem Festland gerade ausbauen lässt. Wohl auch deshalb gibt es auf polnischer Seite kaum kritische Töne gegen den Tunnel. Auf dem deutschen Teil Usedoms sieht das anders aus. Viele Insulaner rechnen damit, dass der Autoverkehr weiter zunehmen wird. Ein Gutachten des Landes von 2019 bestätigt dies. Demnach werden bis 2030 etwa 13 Prozent mehr Autos auf den Straßen Usedoms unterwegs sein.
Auch das Ostseebad Heringsdorf rechnet mit noch mehr Verkehr, "weil die Hauptachse von und nach Swinemünde direkt durch die Kaiserbäder führt", meint Heringsdorfs Bürgermeisterin, Laura Isabelle Marisken. Allerdings sehe die Gemeinde den Swinetunnel nicht negativ. Für die Insel Usedom insgesamt könnte er sogar positive Effekte für den Autoverkehr haben. Nach dem Ausbau der polnischen Staatsstraße 3 auf Wollin, Ende 2024, könnten Usedom-Urlauber aus Berlin und Brandenburg bei der An- und Abreise schneller über Swinemünde und Stettin sein als über Wolgast oder Anklam.
Mehr über den Swinetunnel erfahren Sie im neuen Podcast Dorf-Stadt-Kreis Pomerania, zu hören in der ARD-Audiothek und in der kostenlosen NDR MV App.