Swinemünde-Gedenken: Bombardierung vor 70 Jahren
70 Jahre nach dem Bombenangriff amerikanischer Flieger auf Swinemünde haben Überlebende, Angehörige der Opfer sowie Gäste aus Deutschland und Polen am Donnerstag der Toten gedacht. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) sagte in seiner Gedenkrede, die Erinnerung an die Toten wachzuhalten, sei eine bleibende Aufgabe für die Nachgeborenen.
Sellering: Vereinnahmung durch Rechte verhindert
Seit Jahrzehnten werde auf dem Golm eine wichtige Gedenkarbeit geleistet. Der Golm ist die größte Kriegsgräberstätte in Mecklenburg-Vorpommern. Seit dem Jahr 2000 ist der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Träger der Gedenkstätte. "Vor allem die vor zehn Jahren gegründete Jugendbegegnungsstätte des Volksbunds hat viel beigetragen zur Erforschung und Rekonstruktion der historischen Ereignisse, aber auch zum Wachhalten der Erinnerung", sagte Sellering. Damit sei es gelungen zu verhindern, dass rechtsextreme Gruppen den Golm für sich vereinnahmen. Auch Akteure aus den Gemeinden, Kirchen und politischen Parteien Usedoms hätten dazu beigetragen. Sellering mahnte: "Wir müssen auch weiterhin all denen entgegentreten, die die Bombardierung von deutschen Städten zum Ende des Zweiten Weltkrieges instrumentalisieren wollen, um die Verantwortung der Deutschen für diesen Krieg und den Holocaust zu relativieren."
Genaue Zahl der Toten bis heute unklar
Am 12. März 1945 hatten 661 amerikanische Bomber die mit Flüchtlingen und verwundeten Soldaten überfüllte Stadt angegriffen. Historiker schätzen, dass dabei 6.000 bis 14.000 Menschen starben. Viele der tausenden Toten wurden auf dem Golm bestattet, ihre Identitäten in der Eile nicht festgestellt. Wieviele Menschen genau bei dem Angriff ums Leben kamen, wird wohl für immer im Dunkeln bleiben.
"Das Inferno von Swinemünde" - Buch zum Jubiläum
"Die große Unsicherheit bei diesen Angaben entspricht dem damals entstandenen Chaos", schreiben die Autoren Nils Köhler und Klaus Utpatel in ihrem neu erschienenen Buch "Das Inferno von Swinemünde", das am Donnerstag vorgestellt wurde. Der Bombenangriff - resümieren die Autoren - habe für die Menschen "wahrhaft apokalyptische Dimensionen" erreicht. Die Autoren dokumentieren 65 Erlebnisberichte von Einwohnern, Soldaten, Flüchtlingen und Zwangsarbeitern.
Orte der Trauer werden zunehmend Lernorte der Völkerverständigung
"Wir erwarten, dass zum letzten Mal eine große Anzahl von Menschen aus der Kriegs- und Erlebnisgeneration an der Gedenkstunde teilnehmen", sagt der Landesgeschäftsführer des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Karsten Richter. Umso wichtiger sei es, dass Zeitzeugen ihre Erinnerungen dokumentieren und damit als unverfälschte Originaldarstellungen der Erlebnisse konserviert werden können. Wie Richter sagte, stehen Kriegsgräberstätten rund 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges vor einem Bedeutungswandel. Aus den Orten der Trauer für Hinterbliebene und Angehörige würden zunehmend Gedenk- und Lernorte der Völkerverständigung. Im Jahr 2000 hatte der Volksbund die Trägerschaft über die größte Kriegsgräberstätte in Mecklenburg-Vorpommern übernommen. Fünf Jahre später wurde dort die Jugendbegegnungsstätte mit finanzieller Unterstützung des Landes eröffnet. In der Einrichtung mit jährlich rund 10. 000 Übernachtungen informieren sich Schulklassen über die historischen Ereignisse, finden Begegnungen zwischen deutschen und polnischen Jugendlichen sowie Seminare statt.