Softdrinks im Fokus: Neun Bundesländer sind für Zuckersteuer
Ernährungsminister Cem Özdemir von den Grünen bekommt im Kampf gegen zu viel Zucker Unterstützung aus den Bundesländern. Mehr als die Hälfte will eine Zuckersteuer. Auch Mecklenburg-Vorpommern sieht Handlungsbedarf.
Es ist nur ein Vermerk im Protokoll der Verbraucherschutzministerkonferenz von vergangener Woche: Wie jetzt bekannt wurde, fordern dort neun Bundesländer die Bundesregierung auf, eine Steuer auf besonders zuckerhaltige Getränke zu prüfen. Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen, das Saarland und auch Mecklenburg-Vorpommern finden: Die freiwillige Selbstverpflichtung der Lebensmittelindustrie in Sachen Zuckerreduzierung hat nichts gebracht.
Ernährungsminister scheitert mit Vorschlag
Innerhalb der Bundesregierung ist das Thema umstritten. Ernährungsminister Cem Özdemir von den Grünen befürwortet eine Zuckersteuer. Er scheiterte mit seinen Vorschlägen aber bisher am "Nein" der FDP. So hatte zum Beispiel FDP-Vize Wolfgang Kubicki Vorstöße in diese Richtung als "politischen Aktionismus" bezeichnet.
WHO empfiehlt 20 Prozent Zuckersteuer
Mecklenburg-Vorpommerns Verbraucherschutzministerin Jacqueline Bernhardt (Die Linke) bringt jetzt, zusammen mit acht Länderkollegen, eine Sondersteuer auf besonders zuckerhaltige Getränke ins Gespräch. Sie hat die Bundesregierung aufgefordert, eine Einführung einer solchen Steuer zu prüfen. Eine Selbstverpflichtung der Branche habe kaum etwas gebracht. Jetzt sollen Unternehmen eine Sonderabgabe zahlen. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt 20 Prozent.
Knapp 60 Prozent der Menschen in MV übergewichtig
59,9 Prozent der Erwachsenen in Mecklenburg-Vorpommern gelten als übergewichtig, jeder Fünfte ist adipös. Das geht aus Daten des Mikrozensus hervor. Verbraucherschutzministerin Jacqeline Bernhardt, ihre Länderkollegen und Ärzte sehen zuckerhaltige Getränke als eine der Ursachen für diese Entwicklung. Besonders besorgniserregend: Auch Kinder in Mecklenburg-Vorpommern leiden laut der Krankenkasse Barmer unter Übergewicht. Schon 5,4 Prozent der bis 14-Jährigen, so viele wie in keinem anderen Bundesland. Dr. Kristina Lenz, Leiterin des Adipositaszentrums an den Helios Kliniken in Schwerin sieht in zuckerhaltigen Getränken durchaus einen Grund für diese Entwicklung: "Gerade Energydrinks stellen ein großes Problem da, zuckerhaltige Limonaden auch."
Erfolge in Großbritannien
2018 hatten sich Hersteller in Deutschland selbst verpflichtet, den Zuckergehalt in ihren Produkten zu reduzieren. Doch gerade mal um zwei Prozent ist der Zuckergehalt in süßen Getränken zurückgegangen. In Großbritannien gibt es seit 2018 eine Zuckersteuer auf Getränke. Dort haben viele Hersteller den Zuckergehalt ihrer Getränke gesenkt. Verbraucherschutzministerin Bernhardt: "Bei uns in Deutschland liegt der Durchschnitt bei neun Millimeter pro 100 Gramm, in Großbritannien nur noch bei fünf." Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen ist laut Studien in Großbritannien seitdem gesunken und bei Getränken seien 45 Millionen Kilo Zucker eingespart worden. In Großbritannien sind außerdem Süßigkeiten an Supermarktkassen verboten, weitere Verbote von Lockangeboten für Junkfood sind geplant. Bernhardt sieht aber auch die Eltern in der Pflicht mit ihren Kindern darüber zu sprechen, was sie konsumieren, sie zu sensibilisieren.
Nur ein Signal, insgesamt zu wenig
Von einer Zuckersteuer könne ein Signal ausgehen, sagte Kristina Lenz, Leiterin des Adipositaszentrums bei den Helios Kliniken in Schwerin dem NDR. Eine solche Maßnahme reiche aber bei weitem nicht aus. Vielmehr brauche es eine verpflichtende Lebensmittelampel, so dass auf jedem Lebensmittel direkt erkennbar ist, ob es aufgrund eines hohen Zuckergehalts schädlich ist. Lenz sieht Eile für solche Maßnahmen.
Milliarden Euro ließen sich einsparen
Adipositas nehme zu und belaste das Gesundheitssystem: "Menschen, die mit 25 Jahren schon schwer adipös sind, werden nicht bis 65 Jahren arbeiten. Also weniger in den Rentenkasse einzahlen und auf der anderen Seite das Gesundheitssystem belasten." Laut einer Studie der Technischen Universität München würde eine Sondersteuer auf zuckerhaltige Getränke in den kommenden 20 Jahren bis zu 16 Milliarden Euro an volkswirtschaftlichem Schaden einsparen und dazu beitragen, Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Adipositas zu vermeiden.
Mit Steuereinnahmen Obst und Gemüse subventionieren
Bereits vor sechs Jahren sagte der heutige Gesundheitsminister Karl Lauterbach, dass die Einführung einer Zuckersteuer nur Sinn mache, wenn mit dem so zusätzlich eingenommenen Geld gesunde Lebensmittel subventioniert würden - also zum Beispiel die Mehrwertsteuer auf frisches Obst und Gemüse gesenkt werde.