Helium-Suche in Vorpommern startet
Helium ist von der EU als kritischer Rohstoff eingestuft. Im Januar startet ein französisches Unternehmen in Vorpommerns Böden, zwischen Greifswald und Wolgast, eine Lagerstätte.
Helium ist unverzichtbar für viele Industrien. Das Industriegas wird in der Medizintechnik oder in der Halbleiterproduktion benötigt. Bislang bezieht Deutschland seine Importe vollständig aus anderen Regionen der Erde. Das soll sich ändern. Im Januar will das französische Unternehmen 45-8 Energy eigenen Angaben zufolge in Vorpommern mit der Erkundung von Lagerstätten beginnen. Das Unternehmen hatte im November 2023 eine Aufsucherlaubnis vom Bergamt Stralsund erhalten. Altdaten aus DDR-Zeiten zufolge lagert in rund 3.000 Metern ein Stickstoff-Methan-Helium-Gemisch.
Ziel: Helium-Produktion in Deutschland
"Mit der 3D-Seismik, die im Januar beginnt, wollen wir das Bild vervollständigen", sagt 45-8 Energy-Projektleiter Thomas Guermont. Sollten diese Untersuchungen positiv verlaufen, will das Unternehmen Testbohrungen starten. Langfristiges Ziel sei es, Helium in Deutschland zu fördern und zu produzieren, so Guermont. DDR-Geologen waren in den 1960er Jahren bei der Suche nach Erdöl und Erdgas in Vorpommern auf die Stickstoffprovinz gestoßen. Nach Angaben des Landesamtes für Umwelt, Natur und Geologie handelt es sich um ein Gemisch aus etwa 90 Prozent Stickstoff, mehr als neun Prozent Methan und 0,2 bis 0,6 Prozent Helium. Diese poröse Gesteinsschicht des Rotliegenden, eine Senkungsstruktur am Rande des Norddeutschen Beckens, liegt in der Tiefe zwischen 2.500 bis 3.200 Metern und hat den Altdaten zufolge eine durchschnittliche Mächtigkeit von 50 Metern, so der Geologe des LUNG, Karsten Obst.
BGR warnt vor Folgen einer Verknappung von Helium
Größte Heliumproduzenten sind die USA, Russland, Katar und Algerien. Derzeit beziehe Deutschland 100 Prozent seines Heliums von anderen Staaten, so Projektleiter Guermont. In einer Studie von 2019 warnte die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) vor den Folgen einer weltweiten Verknappung von Helium, das in der Regel bei der Förderung von Erdgas abgetrennt wird. Das Edelgas ist für viele Industrien unverzichtbar. Es wird in der Medizin zum Betrieb von Magnetresonanztomographen (MRT), als Schweißschutzgas oder auch für Wetterballons eingesetzt.
EU stuft Helium als kritischen Rohstoff ein
Helium wird inzwischen von der EU auf der Liste "critical raw material" (kritischer Rohstoff) geführt. Auf dieser Liste stehen Rohstoffe mit großer wirtschaftlicher Bedeutung und einem hohen Versorgungsrisiko. Die Preise für Helium sind angesichts der Verknappung deutlich gestiegen. Denn Helium könne nicht künstlich produziert werden, so Guermont. Eine Förderung und Produktion in Europa mache die EU unabhängiger von Rohstofftransporten aus kritischen Regionen. Die Heliumkonzentration von 0,6 Prozent in Vorpommern bezeichnete Guermont als sehr gut. In Katar liege sie bei 0,04 Prozent.
"Die Heliumpreise, die sind ja geradezu explodiert in den letzten Jahren, die Nachfrage ist groß", sagt der Geologe des Landesamtes für Umwelt, Natur und Geologie Karsten Obst. Angesichts der Verknappung steige der Preis. Und das sei interessant für Investoren, Vorkommen zu erkunden, die bislang nicht im Fokus standen.
Erkundung mit 3D-Seismik über Schallwellen
Das französische Unternehmen will eigenen Angaben zufolge Ende Januar mit der Erkundung in dem etwa 100 Quadratkilometer großen Areal zwischen Kemnitz und Wolgast beginnen. Dazu werden Lastkraftwagen über die Straßen fahren, unter denen vibrierende Platten montiert sind, die Schallwellen durch den Boden übertragen. Geophone, die auf dem Boden liegen, registrieren dann die Echos der Wellen, so der Geophysiker Andreas Schuck, dessen Leipziger Firma GGL im Auftrag von 45-8 Energy arbeitet. Die Untersuchungen seien minimalinvasiv: "Wenn man neben dem Vibriofahrzeug steht, wird man leichte Vibrationen in zehn oder 15 Metern merken. Aber wenn man 50 Meter entfernt steht, merkt man nichts mehr."
Es gebe entsprechende Vorschriften, die regeln, welche Erschütterungen erlaubt sind. Grenzwerte würden nicht überschritten. Liegen die Ergebnisse der Seismik vor, will 45-8 Energy entscheiden, ob man mit Testbohrungen starten. Sollten diese erfolgreich sein, könne eine Förderung beantragt werden, hieß es. Perspektivisch wolle man das Helium in Vorpommern produzieren. Der Stickstoff und das Methan sollen ebenfalls verwertet werden.
Einzige Lagerstätte in MV
Nach Angaben des LUNG handelt es sich bei der Lagerstätte in Vorpommern um die einzig bekannte in Mecklenburg-Vorpommern. Bohrkerne der Tiefenbohrungen aus DDR-Zeiten lagern im Bohrkernlager des Landesamtes für Umwelt, Natur und Geologie in Sternberg.