Gehen oder Bleiben: Wohin geht die Reise nach der Schule?
Auslandsjahr, Studium oder Ausbildung in der Region? Die Abschlussklässler an Regionalschulen und Gymnasien stehen Jahr für Jahr vor dieser wichtigen und weitreichenden Entscheidung. Zu viele verlassen Mecklenburg-Vorpommern nach der Schule. Wie kann der Abwanderung entgegengesteuert werden?
In der aktuellen Podcastfolge "Dorf Stadt Kreis - starke Geschichten aus dem Norden" beschäftigen sich Mirja Freye und Christoph Cyrulies mit dem Nachwende-Problem großer Abwanderung, zeigen Möglichkeiten für Menschen auf, die nach Mecklenburg-Vorpommern zurückkehren möchten und begleiten Schüler des Demminer Goethe Gymnasiums im Fach ‚Berufsorientierung‘.
Hohe Abwanderungszahlen nach der Wende
Die Zahlen des Statistischen Amtes in Mecklenburg-Vorpommern verdeutlichen das Abwanderungsproblem. So sind nach der Wende mehr als eine Million Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern weggezogen. Mit dieser Entwicklung hatte das Land bis 2013 zu kämpfen. Erst ab diesem Zeitpunkt verzeichneten die Statistiker sogenannte "Wanderungsgewinne". Das heißt, die Zahl der Zuziehenden übersteigt die Zahl der Abwanderer - ein erster Lichtblick für mehr und mehr verwaisende Landstriche. Dieser Trend hält bis heute an: Aktuell werden gut 12.000 Zuziehende bei etwa 8.000 Abwanderern für MV registriert. Es bräuchte noch mindestens zehn Jahre mit konstanten Wanderungsgewinnen, so Experten, um die große Nachwende-Abwanderungswelle wieder auszugleichen.
Ostbeauftragter: "Keine neuen Schwerpunkte" bei Finanzhilfen für Ostdeutschland
Auch auf Bundesebene wird versucht, das Abwanderungsproblem zu bekämpfen. Christoph Cyrulies spricht mit dem Ostbeauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD). Dabei geht es um die Zukunft Mecklenburg-Vorpommerns als Wirtschafts- und Investitionsstandort und um die Frage, wie man die Region wieder attraktiver machen kann, denn landschaftlich und im Hinblick auf die Städte sei sie es ja schon: "Jetzt geht es noch um die Arbeitsplätze. Und eine meiner ersten Aufgaben begann mit der Insolvenz der MV Werft [...] und einer Hoffnungslosigkeit. Das haben wir dann geändert. Wir haben uns reingehangen. Es sind dort diese 500 Arbeitsplätze in Rostock beim Marinearsenal entstanden, der Bau wird von Rostock aus gemacht, der Hafen wird gestärkt, ausgebaut. Da sind schon sehr konkrete Maßnahmen", so Schneider.
Neue Chancen als Energieproduktionsland
Als Bundesregierung habe man vor allem auch die Forschungsstandorte Rostock und Greifswald im Blick. Dafür müssten sich aber auch die Lebensbedingungen deutlich verbessern, günstiger Wohnraum, wie zum Beispiel Studentdenwohnheime, geschaffen werden. "Ich kann ihnen sagen, dass MV mittlerweile eine ganz wichtige Rolle für die Bundesrepublik spielt durch die Ostseelage, durch die nicht ganz unumstrittene, aber richtige Entscheidung über die LNG-Terminals. Wir werden also Energieproduktionsland und dort, wo Energie produziert wird, da findet sich über kurz oder lang auch die Industrie wieder. Deswegen, glaube ich, stehen wir vor einer Veränderung der Wirtschaftsstruktur und durchaus auch vor der Chance Rückwanderung und steigende Bevölkerung", sagt Schneider im Gespräch.
Prioritäten trotzt Milliarden-Loch unverändert
Der Ostbeauftragte stellt sich außerdem den Fragen zu angekündigten Unterstützungshilfen aus Berlin, die seit dem 60-Milliarden-Haushaltsloch in Gefahr sind: "Die Bundesregierung hat ja auch eine Auftrag für die richtigen Lebensbedingungen zu sorgen und insbesondere für die Menschen im ländlichen Raum. Wir werden keine neuen Schwerpunkte setzen, die bisherigen Prioritäten werden beibehalten."
"Rückkehrer-Recruiting" durch Willkommenszentren
Das Land ergreift mittlerweile Maßnahmen, um Menschen, die nach Mecklenburg-Vorpommern zurückkehren möchten, diesen Schritt zu erleichtern. In sogenannten "Welcome-Centern" können die Rückkehrer Beratung und Unterstützung bei diversen Problemen bekommen. So helfen die Willkommens-Berater beispielsweise bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche und vermitteln die Menschen auch direkt an Unternehmen in der Region. "Das Angebot wird vor allem von vielen jungen Familien genutzt, die zurück in die alte Heimat ziehen möchten", so eine Mitarbeiterin des Welcome-Centers in Rostock. Landesweit gibt es insgesamt neun solcher Zentren.
Zukunftsplanung beginnt im Klassenzimmer
Auch die Schulen möchten junge Menschen zum Bleiben bewegen - möglichst noch bevor sie gehen. Welche Möglichkeiten es neben dem Studium gibt, erfahren die Schüler daher seit etwa zehn Jahren im Fach "Berufsorientierung". Das Unterrichtsfach wird in Mecklenburg-Vorpommern kurz vor dem Schulabschluss angeboten. Im Unterricht wird um die Schüler geworben: Firmenvertreter aus der Region stellen ihre Betriebe und Ausbildungsmöglichkeiten vor und zeigen den Jugendlichen ihre Chancen und Perspektiven in der eigenen Region auf.
Auch Berufsberater besuchen regelmäßig die Klassen und beantworten Fragen rund um das Thema Ausbildungs- und Studienfinanzierung. In der Podcastfolge geht es unter anderem auch um die Herausforderungen und Probleme junger Menschen, in der näheren Umgebung Fuß zu fassen.