Erfüllender Knochenjob: Eine der letzten Wanderschäferinnen
Marthe Lohse zieht als Wanderschäferin mit ihren Schafen und Ziegen durch den Südwesten von Mecklenburg-Vorpommern. Sie ist eine der jüngsten und gleichzeitig eine der letzten ihres Berufsstandes.
Es ist heiß und staubig unter den Solarpaneelen auf der riesigen Fläche bei Stern Buchholz, in der Nähe von Schwerin. Marthe Lohse versucht, die vielen Hundert Schafe samt Lämmern und Ziegen mit ihrer schwarzen Hütehündin "Farina" zusammenzutreiben. Entspannt steht sie inmitten der Herde - mit braunem Filzhut, rotem T-Shirt und festen Wanderschuhen. Marthe dirigiert die Hündin mit kurzen Pfiffen, Befehlen und Handzeichen.
Marthe Lohse wacht über vierbeinige Landschaftspfleger
Der Auftrag der wolligen Vierbeiner: Landschaftspflege. Sie sollen Gras und Ginster unter der Photovoltaikanlage kurz halten. Ein Mutterschaf lahmt. Blitzschnell angelt Marthe Lohse mit dem Fangstock das empört blökende Tier, wirft es gekonnt auf den Hintern. Bei der Klauenkontrolle stellt sie schnell fest: "Hier hat sie sich einen Stein eingetreten, der ist jetzt hochgewandert. Aber man sieht, es ist entzündet. Deshalb lahmt sie jetzt", erklärt die Schäferin, und schneidet fix mit einem Klauenmesser die Hornspitze kürzer.
Eine von 20 Wanderschäferinnen in Deutschland
Rund 900 Berufsschäfereien gibt es noch in Deutschland. Bundesweit arbeiten 60 Wanderschäfer, 20 davon sind Frauen. Die 25-jährige Marthe Lohse ist eine von ihnen. Das ganze Jahr über zieht sie mit ihren Schafen und Ziegen kilometerweit durch die Mecklenburger Landschaft. Zwischen einem und 20 Kilometer legt die junge Frau pro Tag mit der Herde über die Äcker und Naturschutzflächen rund um Schwerin zurück; immer auf der Suche nach dem besten Futter für die Herde, die aus unterschiedlichen Rassen besteht, wie Fuchs-, Rhön-, Schwarzkopfschafen und Skudden. Dazu kommen noch die rund 100 Ziegen, die zum Beispiel den harten Ginster fressen, den die wählerischen Schafe verschmähen.
Ausgebildet vom einzigen Wanderschäfer im Norden
Wie reagieren Autofahrer, wenn die Schäferin mit ihrer Riesenherde die Straßen überqueren und durch Dörfer ziehen muss? "Die meisten sind freundlich und geduldig, auch wenn sie dann mal ein paar Minuten warten müssen", sagt Marthe Lohse. Bauern und Naturschützer sind froh, dass ihre Flächen so ohne Chemie und Technik gepflegt werden. 2015 begann sie ihre Ausbildung in der Seebürger Schäferei in Preten im Amt Neuhaus. Ihr Arbeitgeber ist der einzige Wanderschäfer hier im Norden.
Die Schwerinerin wollte schon immer was mit Tieren machen und das möglichst artgerecht. Bei einer Fahrradtour entlang der Elbe entdeckte sie die Schäferei in Preten, machte dort ein Schülerpraktikum und später dann die Ausbildung.
Kaum geregelte Arbeitszeiten, aber Erfüllung im Job
Der Berufsalltag ist hart, wenig romantisch und körperlich anstrengend. Zu ihren Aufgaben gehört es, Koppeln zu bauen, Klauenpflege und Gesundheitskontrollen zu übernehmen sowie Schafen und Ziegen Geburtshilfe zu leisten. Ein geregelter Feierabend oder Freunde treffen? Das gestaltet sich eher schwierig. Aber sie liebt den Job - und ihre sechs selbst ausgebildeten Hunde. "Wer kann schon den ganzen Tag mit seinem Hund zusammen sein?", freut sich die junge Frau.
Herdenschutzhunde und Elektrozäune gegen Wölfe und Diebe
Nachts bleibt die Herde allein, gesichert durch Elektrozäune und bewacht von den beiden großen hellen Herdenschutzhunden "Bootsmann" und "Schwipp". Sie übernachten inmitten der Schafe und entscheiden selbstständig, wenn Gefahr für die Herde droht. Diese Hunde sind zumindest ein gewisser Schutz gegen Wolfsangriffe und Diebe, die nicht nur Elektrogeräte für die Zäune, sondern auch Schafe stehlen.