DIA MV: Erster Bericht über antisemitische Vorfälle in MV
Die Dokumentations- und Informationsstelle Antisemitismus DIA.MV hat erstmals ihren Jahresbericht zu antisemitischen Vorfällen in Mecklenburg-Vorpommern vorgestellt. Auch Aktionen unterhalb der Schwelle zur strafrechtlichen Relevanz werden berücksichtigt.
Der Bericht listet für das vergangenen Jahr landesweit 36 antisemitische Vorfälle auf. Diese stünden häufig im Zusammenhang mit Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen, teilte die Einrichtung am Mittwoch in Schwerin mit. Eine besondere Rolle spielten laut DIA auch antisemitische Schmierereien und Aufkleber im öffentlichen Raum sowie an Erinnerungsorten. "In Mecklenburg-Vorpommern kam bis auf Bedrohungen und Fälle extremer Gewalt alles vor", sagte DIA-Sprecher Ronny Rohde.
Zwei körperliche Angriffe im Jahr 2022
Die Dokumentationsstelle registrierte zwei physische Angriffe und fünf gezielte Sachbeschädigungen, von denen insbesondere Gedenkorte sowie ein jüdischer Friedhof betroffen waren. In 22 Fällen handelte es sich um antisemitische Propagandadelikte im öffentlichen Raum, so beispielsweise im Zusammenhang mit politischen Demonstrationen. Zudem seien sechs Fälle von direkter verbaler Anfeindung bekannt geworden, etwa indem das Wort "Jude" als Beleidigung oder Abwertung verwendet wurde.
Meistens rechtsextremer Hintergrund
Die meisten Fälle wiesen auf rechtsextreme Hintergründe der Täterinnen oder Täter hin, teilte DIA weiter mit. Im Jahr 2022 gab es zwölf individuell Betroffene bei den von DIA.MV registrierten Vorfällen. Die Dunkelziffer sei jedoch vermutlich deutlich höher. Auch dass Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zu vielen anderen Ländern niedrigere Fallzahlen habe, will Rohde nicht so interpretieren, dass das Problem mit Antisemitismus hierzulande geringer sei: "Denn Meldestellen in anderen Bundesländern arbeiten schon länger", so Rohde.
Vorfälle können an Meldestelle weitergegeben werden
DIA.MV ist ein Projekt der Landesweiten Opferberatung, Beistand und Information für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern e.V. (LOBBI). Die Einrichtung sammelt Daten über Vorfälle anhand von Zeitungs- und Online-Recherchen aber auch teilweise über die polizeiliche Statistik. Aber es werden über eine Meldestelle auch selbst Vorfälle aufgenommen. Betroffene, Zeugen und Angehörige können sich auch online an DIA wenden, wenn sie Antisemitismus erlebt oder beobachtet haben. Die Landesregierung unterstützt DIA.MV. Für die Jahre 2022 bis 2024 waren hierfür laut früheren Angaben insgesamt 163.500 Euro eingeplant.
Landesrabbiner: "Wir müssen die Realität sehen"
Auch Landesrabbiner Yuriy Kadnykov war bei der Vorstellung des Berichts in Schwerin anwesend. Er begrüßt die Arbeit von DIA. "Wir müssen die Realität sehen - und wir müssen die Zahlen sehen." Auch Kadnykov geht davon aus, dass die Dunkelziffer noch höher ist.