Amthor und Kassautzki: So denken MVs jüngste Abgeordnete
Funklöcher, Cannabis, Waffenlieferungen, Klimakrise, Wählen ab 16 - im NDR Talk treffen die beiden jüngsten Bundestagsabgeordneten aus MV aufeinander: Philipp Amthor von der CDU und Anna Kassautzki von der SPD.
Knapp 48 Jahre: so alt sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Durchschnitt. Und das, obwohl das Parlament seit der letzten Wahl schon jünger geworden ist als in den vergangenen Jahrzehnten. Die jüngsten Abgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern heißen Anna Kassautzki (SPD), Jahrgang 1993, und Philipp Amthor (CDU), geboren 1992. Was haben Sie zu den Themen zu sagen, die viele Jugendliche und junge Erwachsene in ihren Wahlkreisen bewegen? Welche Positionen vertreten Sie im politischen Berlin – und hängen die überhaupt vom Alter ab? Diese Fragen hat unser Reporter Christoph Cyrulies, selbst gerade 19 Jahre alt, den Parlamentariern bei einem Termin im Bundestag gestellt.
Wahlrecht ab 16: "Politischer Geisterfahrer" oder sinnvolle Beteiligung?
Die Ampel-Koalition in Berlin hat es in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten: Sie will das Wählen des Bundestags schon ab 16 Jahren ermöglichen. Noch in dieser Legislaturperiode versuchen SPD, Grüne und FDP, ihren Vorstoß umzusetzen. Im Bundestag müssten mindestens zwei Drittel aller Abgeordneten für diese neue Altersgrenze beim Wahlrecht stimmen, um die Änderung im Grundgesetz zu verankern. Dazu benötigen SPD, Grüne und FDP auch Stimmen der Union. Doch CDU und CSU sind strikt dagegen. Auch der Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor, der sich selbst bereits mit 16 in der CDU engagiert hat, kritisiert die Ampel-Pläne. Politische Teilhabe hänge nicht nur vom Wahlakt ab, so Amthor. Er bezieht sich dabei auf die politischen Einflussmöglichkeiten, die junge Menschen mit 14 Jahren beim Eintritt in eine Partei bekommen. Anna Kassautzki sieht an dieser Stelle einen Widerspruch und sagt: "Wenn ich mit 14 schon in eine Partei eintreten darf und aktiv mitgestalten darf, wie Parteien funktionieren, dann ist es eigentlich auch nur fair, dass ich mitentscheiden kann, was die Politik am Ende macht."
Hohe Strompreise: Wer trägt die Verantwortung?
Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden. Doch wie sozial ist die Klimapolitik, wenn Mecklenburg-Vorpommern mehr grünen Strom produziert als es braucht, aber Haushaltskunden hierzulande rund 100 Euro mehr pro Jahr für ihren Strom bezahlen müssen? Sucht man nach den Ursachen dafür, so sind sich Union und SPD uneins darüber. Für Anna Kassautzki sind vor allem die Länder in der Pflicht: "Würde es nur an uns in Berlin liegen, das zu ändern, dann hätten wir das bereits getan." Sie verweist an dieser Stelle besonders auf die südlichen Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg. Im Bundesrat würden diese einheitliche Netzentgelte ablehnen. Philipp Amthor sieht das Problem hoher Strompreise dagegen vor allem in einer "katastrophalen Energiepolitik der Ampel". Für ihn ist die Abschaltung der letzten drei deutschen Kernkraftwerke eine "völlige Irrsinnsentwicklung".
Digitalisierung: Ampel-"Flopp" oder auf einem guten Weg?
Schulen und Universitäten in Mecklenburg-Vorpommern stehen vor vielen Problemen, wenn sie ins digitale Zeitalter starten wollen. Auch dem Digitalausschuss des Deutschen Bundestages, dem auch Anna Kassautzki angehört, ist das Problem bekannt. Vor allem die privatwirtschaftlichen Interessen der Anbieter spielten ihrer Meinung nach hier eine zentrale Rolle. Da Mecklenburg-Vorpommern im Ländervergleich das am dünnsten besiedelte Bundesland ist, hätten viele Netzanbieter den Nordosten als unattraktiv angesehen. Philipp Amthor verortet den schleppenden Digitalwandel hingegen bei der Ampel in Berlin. Die Organisation der Digitalpolitik sei aus seiner Sicht ein "Flopp" aufgrund der verschiedenen Zuständigkeiten zwischen den einzelnen Bundesministerien. Eine wirkliche Verbesserung des Netzes kann er, im Gegensatz zu Anna Kassautzki, nicht erkennen.
Kiffen legalisieren? Gegensätzliche Positionen der Abgeordneten
Volljährige sollen bald Cannabis konsumieren dürfen – wenn es nach SPD, FDP und Grünen geht. Die Droge war bislang nur im medizinischen Bereich als verschreibungspflichtiges Schmerzmittel zugelassen. Nun soll sie entkriminalisiert werden. Bisher haben 41 von 100 jungen Erwachsenen in Deutschland angegeben, bereits Cannabis konsumiert zu haben. Das seien, wie Anna Kassautzki betont, nicht alles "Hardcore-Kiffer", sondern dazu zählten auch die Menschen, die Cannabis ab und zu konsumierten. Sie sieht in einer liberaleren Drogenpolitik die Möglichkeit, den geregelten Zugang zu Cannabis-Produkten ohne Beimischungen zu ermöglichen. Philip Amthor bezweifelt das Ende des Schwarzmarktes durch eine Legalisierung: "Der beste Weg Drogenkriminalität zu bekämpfen ist, für sichere Städte mit No-Go-Areas zu sorgen." Dort müsse man, so Amthor, "mit harter Innenpolitik austrocknend tätig werden".
Einigkeit zu Waffenlieferungen an die Ukraine
Rund 67 Prozent der Ostdeutschen lehnen die Lieferung moderner Kampfpanzer an die Ukraine ab. Trotz dieses Meinungsbildes sind Union und SPD in Berlin dafür - auch die jungen Abgeordneten aus MV sind sich hier einig. Philip Amthor betont, es gehe darum, den Krieg und das Leid zu beenden. "Klar ist aber, um da hin zu kommen, braucht es jetzt Mittel und Wege, diplomatische Verhandlungen zu ermöglichen", so Amthor. Angesprochen auf die Frage, inwieweit Union und SPD noch das Stimmungsbild der Ostdeutschen abdeckten, geben sich sowohl Amthor, als auch Kassautzki betont einig: "Ich gehe mit meinem Kollegen Amthor mit. Ich glaube es ist richtig, die Ukraine zu unterstützen - auch mit Kampfpanzern", so Kassautzki, denn: "Die Ukraine verteidigt sich!"
Anmerkung der Redaktion: Die Interviews wurden aufgezeichnet bevor neue Vorwürfe gegen den CDU-Abgeordneten Amthor aufgrund seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der Firma Augustus Intelligence veröffentlicht wurden.