So wird Swissleaks in der Presse kommentiert
Die HSBC-Bank in Genf war über Jahre hinweg ein sicherer Hafen für mutmaßliche Geldwäscher und Steuerhinterzieher. Aus den von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" gesichteten Unterlagen wird deutlich, wie eng und problemlos der Kontakt zwischen (Super-)Reichen und Bankberatern war, wenn es darum ging Gelder in der Schweiz zu verstecken. Gemeinsame Jachturlaube, Shoppingtouren und Hausbesuche: HSBC-Berater gaben sich alle Mühe, ihre Kunden zufriedenzustellen. Die Berichterstattung über diesen Skandal haben viele andere Medien aufgegriffen. Hier eine Auswahl von Kommentaren deutscher und ausländischer Zeitungen:
Die "Badische Neueste Narichten" kritisieren die Ermittlungsarbeit:
"Seit über vier Jahren ist das den Steuerbehörden bekannt - getan hat sich seither wenig. In Baden-Württemberg laufen ganze neun Ermittlungsverfahren, viel zu wenig, wenn man bedenkt, dass auf den Datensätzen über 2.000 deutsche Kunden auftauchen. Und der Südwesten, das zeigen die rapide steigenden Zahlen der Selbstanzeigen im vergangenen Jahr, ist auch eine Hochburg des Steuerbetrugs. Der HSBC-Skandal macht einmal mehr deutlich, dass es gerade die Großverdiener sind, die bei der Steuer den Staat um Millionen betrügen. Mit den Einnahmen könnten die Länder jede Menge Haushaltslöcher stopfen."
"Sächsische Zeitung" (Dresden) sieht eine "staatliche Notwehr"
"Man mag es für problematisch halten, wenn Finanzbehörden in Deutschland oder anderswo auf gestohlene Datensätze zurückgreifen, um Steuersünder zu verfolgen. Doch es ist ein Fall von staatlicher Notwehr. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht, um Steuergerechtigkeit zumindest im Ansatz wiederherzustellen. Das ist die Pflicht der Politik - auch gegenüber jenen Bürgern, die ihre Steuern brav und pünktlich bezahlen."
Die "Neue Zürcher Zeitung" hinterfragt die Aktualität der Enthüllungen:
"Alle Erkenntnisse beruhen auf Kundendaten, die in den Jahren 2006 und 2007 von einem IT-Mitarbeiter gestohlen und den französischen Steuerbehörden übergeben wurden. Sie zeichnen eine Realität nach, die es heute, sieben Jahre nach der Finanzkrise, nicht mehr gibt. (...) Die Bank hat nicht nur über 100 Millionen Franken in ihre IT-Infrastruktur investiert, sondern auch ihre Kundenbasis um 70 Prozent reduziert. Sie hat sich namentlich von jenen problematischen Kunden getrennt, die sie 1999 im Zuge der Übernahme zweier Banken der Safra-Familie gleichsam über Nacht hinzugewonnen hatte."
Das Regionalblatt "L'Est Républicain" aus Nancy (F) nennt die HSBC ein "Monstrum":
"Hinter dem Schweigen des Schweizer Bankgeheimnisses (...) verbirgt sich auf den diskreten Konten der HSBC das hässliche Gesicht der Finanzwelt. Bekannt ist die Verteidigungslinie dieser ehrbaren Institution, zu Zeiten des glorreichen britischen Empire gegründet, um den Opiumhandel mit China zu finanzieren: Das Kapitel wurde geschlossen, eine neue Seite aufgeschlagen. Von wegen. Dieses heute unkontrollierbare Monstrum, das von manchen Spezialisten als Lunge der Weltwirtschaft bezeichnet wird, ist in mehrere Skandale verwickelt gewesen. Der US-Ableger der Bank wurde im Juli 2013 zu einer Geldstrafe von 1,9 Milliarden Dollar (...) verurteilt, weil er sieben Jahre lang das Geld der mexikanischen Drogenkartelle gleich kofferweise weißgewaschen hat."
Das Regionalblatt "Le Journal de la Haute-Marne" aus Chaumont (F) spricht von "neuer Dimension":
"Wo die Affäre eine ganz neue Dimension bekommt, ist, wenn man erfährt, dass das in Steuerparadiesen recycelte Geld auch vom organisierten Verbrechen und dem internationalen Terrorismus stammte. Seit kurzer Zeit hat die Schweiz den internationalen Ermahnungen nachgegeben und das Bankgeheimnis gelockert. Es war höchste Zeit. Man darf nicht vergessen, dass es bei der Steuerhinterziehung um Haushaltsressourcen geht, die den Staaten entgehen, die damit zu Opfern werden."
Das "Westfalen-Blatt" (Bielefeld) fokussiert sich auf die Auswirkungen:
"Da ist er wieder, der hässliche Banker, der hinter glitzernden Fassaden gewissenlos spekuliert und einen Großteil seiner Energie darauf verwendet, hohe Geldsummen, oft illegal erworben, vor dem Zugriff der Steuerbehörden zu schützen. Da mag der weitaus größte Teil aller Bank- und Sparkassen-Angestellten noch so gesetzestreu sein: Wenn die Schweizer Tochter der größten europäischen Bank HSBC selbst einräumt, dass 70 Prozent ihrer Konten mit dem Ziel geführt wurden, Gesetze zu umgehen, dann hat das natürlich Rückwirkungen auf das Ansehen der Branche. Dafür sorgen schon Europas Politiker, die sich gerade mal wieder sehr empört zeigen. Es darf nicht bei einem kurzen Aufschrei bleiben. Es geht in dem Zusammenhang nicht nur um Waffenhändler und Drogenbarone, nicht nur um Diktatoren und Mafiachefs. Es geht auch um vor Kapital strotzende Unternehmen wie Apple, die ihre Gewinne so lange von einem Land zum anderen verschieben, bis sie fast überhaupt keine Steuern mehr bezahlen. Diese Art des »Bilanzdressings« muss unmöglich gemacht werden. Mindestens in der Europäischen Union."
Die "Neue Osnabrücker Zeitung" spricht von "beunruhigenden" Verbindungen:
"Waffenschieber in Bürgerkriegsgebieten, Drogendealer, Händler von Blutdiamanten, Finanziers des Terrornetzwerks Al Kaida - die jetzt nachgewiesenen Verbindungen der britischen Großbank HSBC zu mutmaßlichen international tätigen Schwerverbrechern sind zutiefst beunruhigend. Denn sie belegen, wie gewissenlos sich Mitarbeiter der Bank von kriminellen Kreisen haben benutzen lassen. Dass seine Besitzer es durch skrupellose Bereicherung, Geldwäsche, Korruption und Geschäfte mit dem Tod angehäuft haben und es im Zweifel dazu einsetzen, noch mehr Leid zu verbreiten. Die Demaskierung der HSBC kommt zur rechten Zeit. Selten zuvor loderten auf der Welt so viele Konflikte, deren Drahtzieher auch deshalb mächtig sind, weil sie sich des internationalen Finanzsystems bedienen können. Solange es auch Banken gibt, die das zulassen, wird die Welt kein Stück sicherer."
Die "Berliner Zeitung" kritisiert das Verhalten der HSBC:
"Die Schweizer Banken orientieren sich schon lange um und sprechen explizit von einer Weißgeldstrategie, womit sie implizit zugeben, dass sie eben traditionell ein Hort von Schwarzgeldern waren. Viele Kunden der HSBC Schweiz scheinen diese neue Entwicklung in der helvetischen Finanzbranche verschlafen zu haben. Anders lässt sich nicht erklären, dass sich die Genfer Bank vor wenigen Wochen bemüßigt fühlte, in einem vertraulichen Schreiben Tausende Kunden davor zu warnen, dass ihre gestohlenen Bankdaten in der Öffentlichkeit auftauchen könnten."
Für die "Frankfurter Rundschau" geht es auch um Krieg und Terror:
"Bei dem Skandal geht es nicht nur um Unsummen an Geld, um Milliarden, die armen und reichen Staaten an Steuereinkünften fehlen. Es geht auch um Politik, Krieg und Terror. Es geht um Bankkunden, die vermutlich mit Blutdiamanten und Waffen handeln, die Kriege finanzieren, in denen Kindersoldaten als Kanonenfutter dienen, oder die international agierende Terrororganisationen wie Al-Kaida alimentieren. Es geht nicht nur um die Gier von Reichen, die sich auf Kosten der Armen schadlos halten. Es geht letztlich auch um Leben und Tod. Da ist also viel Macht und moralische Verkommenheit im Spiel - und alles gedeckt von einer Bank in der Schweiz."
Die "Allgemeine Zeitung" (Mainz) moniert das System:
"(...) Die jetzt bei der Großbank HSBC ruchbar werdenden Vorkommnisse sind in keiner Weise zu entschuldigen. Auch sind sie definitiv nicht auf die kriminelle Energie Einzelner zurückzuführen, sondern systemisch angelegt oder zumindest angelegt gewesen. Der an dieser Stelle skizzierte deutsche Wohlstandsrentner, der im Kofferraum seines Mercedes etwas versteckt, ist vor diesem Hintergrund das kleinste Problem. Schließlich wurden (und werden?) im Zweifelsfall auch das organisierte Verbrechen, Diktatoren aller Couleur und Terroristen durch die diskreten Konten finanziert. Gründe genug für die Politik also, Waffengleichheit herzustellen. Bei Privatpersonen ist dies - rechtlich ebenfalls fragwürdig - über die Steuer-CDs zumindest teilweise geschehen. Aber damit ist es noch lange nicht getan. Die Finanzminister aller G20-Länder haben noch sehr viel grundlegendere Hausaufgaben zu erledigen. (...)
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