Reckitt Benckiser: Saubermänner in Luxemburg
Das Geschäftsmodell heißt Sauberkeit: Ob Clearasil für saubere Haut, Calgon für saubere Waschmaschinen oder Air Wick für saubere Luft - die Marken, die Reckitt Benckiser (RB) als eines der weltweit größten Hygiene-Unternehmen vereint, verbindet dank einprägsamer Werbekampagnen nahezu jeder mit Reinheit und Strahlkraft. Weniger glanzvoll geht es bei dem Weltkonzern offenbar im Hintergrund zu. Denn ein nicht unwesentlicher Teil des firmeninternen Geschäfts läuft über Luxemburger Holdings ab. Das zeigen sogenannte "Advance Tax Agreements", Steuerabsprachen zwischen RB und der Luxemburger Finanzverwaltung. Sie sind Teil neuer Dokumente, die NDR, WDR und die "Süddeutsche Zeitung" auswerten konnten. Demnach gehört dem Konzern mit Sitz nahe London gleich ein halbes Dutzend Firmen in Luxemburg. Damit werden Beteiligungen weltweit verteilt und Milliardenkredite zwischen RB-Töchtern ermöglicht.
5,5 Milliarden an einem Tag
2008 hatte sich die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) im Auftrag von RB mit einem Schreiben an die Luxemburger Steuerverwaltung gewandt. Darin beschreiben die Berater, wie das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von zuletzt etwa 12 Milliarden Euro an einem einzigen Tag 5,5 Milliarden Euro zwischen Konzern-Töchtern in Luxemburg und der Steueroase Jersey transferiert. Nach Meinung von Experten könnten derartige Geldgeschäfte dazu dienen, Steuervorteile in Ländern wie Luxemburg auszunutzen - genau klären lässt sich das aber anhand der Unterlagen nicht. Neben Jersey und Luxemburg laufen die Geschäfte zum Teil über die Kanalinsel Guernsey und die Schweiz. Rechtsgebiete, die nicht für ihre Steuertransparenz bekannt sind und in denen in der Regel auch keine Bilanzen einsehbar sind. Offenbar fungiert die Luxemburger Holding allerdings weiterhin als gut gefülltes Sparschwein: Der aktuellste abrufbare Jahresabschluss weist für 2011 in Luxemburg geparkte Finanzanlagen in Höhe von knapp 9,5 Milliarden Euro aus.
Reckitt Benckiser will Transaktionen nicht erklären
Die Komplexität dieser Konstrukte zeigt ein Blick auf die schematische Darstellung: Ein verästelter Baum, mit dem die Berater von PricewaterhouseCoopers am 14. Juli 2008 bei der Luxemburger Steuerverwaltung vorstellig wurden, um sich den Stempel zum Sparen abzuholen. Geschwungene Linien kreuzen sich mit geraden, gestrichelte mit durchgezogenen. Sie verbinden 23 unterschiedliche Firmen aus sechs Ländern, mal als Dreieck dargestellt, mal oval oder rechteckig. Reckitt Benckiser will auf Anfrage nicht erklären, welchen Zweck die Transaktionen hatten. Der Konzern versichert allerdings, dass man die geltenden Steuergesetze einhalte. Dass das Unternehmen in der Sache wenig Auskunft gibt, kann aber auch mit einem freundlichen Hinweis seiner Berater zusammenhängen. Ein paar Wochen nach der Luxemburger Steuerverwaltung bekam auch die RB-Holding einen von Brief von PwC. Darin heißt es: "Wir möchten daran erinnern, dass […] dieses Dokument ohne Zustimmung von PricewaterhouseCoopers Luxembourg keinem Dritten zugänglich gemacht werden darf, auch keinen Buchprüfern und Rechtsberatern."
Reimanns gehören zu den reichsten Deutschen
RB geht zurück auf die Chemiker Johann Adam Benckiser und Ludwig Reimann. Die gründeten in den 1850er-Jahren eine Chemiefabrik in Ludwigshafen, deren Nachfolge-Gesellschaft 1999 mit einem Konkurrenten fusionierte und nach Großbritannien zog. Die Familie Reimann ist mit mehr als zehn Prozent nach wie vor wichtigster Anteilseigner von RB. Der Industriellen-Clan gilt als höchst verschlossen und gehört zu den wohlhabendsten Familien Deutschlands. 2014 landeten die Reimanns mit einem Vermögen von 14 Milliarden Euro in der Liste der reichsten Deutschen auf Platz 6.
So populär die Marken Clearasil, Calgon und Co. auch sind, so wenig weiß die Öffentlichkeit über die Reimann-Dynastie. Bereits 2012 berichteten Medien, dass die Nachkommen des Firmengründers Ludwig Reimann ihre geschäftlichen Aktivitäten vor einigen Jahren aus der Pfalz nach Österreich und Luxemburg verlegt haben. In Wien gründeten sie eine Familien-Holding mit dem Namen "Agnaten SE" und eine weitere Holding in Luxemburg, die wiederum Anteile am RB-Mutterkonzern hält. Bei Fragen dazu gibt sich der Konzern schmallippig. "Die aktive Geschäfts- und Standortpolitik von Reckitt Benckiser bestimmt das Unternehmen selbst", lautet die Antwort.
Umzug möglicherweise aus Steuergründen
Auch eine Erklärung, weshalb das Reimann-Imperium seinen Sitz ins Ausland verlegt hat, bleibt das Unternehmen schuldig. Seit der Auswanderung der Reimanns wird über den Umzug der als heimatverbunden geltenden Familie spekuliert. Fakt ist, dass sie Süddeutschland den Rücken kehrten und sich in der Schweiz und Österreich meldeten. Möglicherweise um so die Erbschaftssteuer in Deutschland zu umgehen, mutmaßte das Manager Magazin. Zählt man die Tochterfirmen mit, ist die Familie Reimann über ihre Holding Agnaten SE an 975 Unternehmen beteiligt, darunter das Parfüm-Imperium Coty mit Marken wie Davidoff, Joop oder Jil Sander und eine Holding für Luxusmode. Und im Mai 2014 fädelte die Familie Reimann ein Joint Venture ihres Kaffee-Riesen Douwe Egberts mit dem Konkurrenten Mondelez ein. Seitdem verdienen die Reimanns an jedem Senseo-Pad genauso wie an den Konkurrenzprodukten von Jacobs, Tassimo oder Carte Noir.