Kokain: Rekord-Funde in deutschen Häfen
von Volkmar Kabisch, Jan Lukas Strozyk und Benedikt Strunz, NDR Ressort Investigation
Ein Kellerraum irgendwo in Norddeutschland. In den Regalen stehen mehrere blaue Plastikboxen. Sie enthalten 25 Kilogramm Kokain, der Straßenwert der Droge beträgt etwa 600.000 Euro. Die Kokainblöcke wurden unlängst vom Zoll sichergestellt. Noch vor einigen Jahren wäre das ein großer Fund gewesen, sagt René Matschke, der Leiter der Zollfahndung Hamburg. Doch das sei mittlerweile Geschichte. "Wir hatten ja schon 2017 ein Rekordjahr. Aber das wird in diesem Jahr noch einmal deutlich überschritten."
Mehr als zehn Tonnen Kokain
Nach Informationen des NDR haben deutsche Sicherheitsbehörden im laufenden Jahr bereits mehr als zehn Tonnen Kokain sichergestellt - so viel, wie nie zuvor. Das entspricht einer Versechsfachung der konfiszierten Mengen innerhalb weniger Jahre. Aus Sicherheitskreisen heißt es dabei, dass man davon ausgehe, dass nur ein Bruchteil der Droge auch beschlagnahmt werde.
Große Mengen aus Südamerika
Fahnder gehen davon aus, dass der Grund für die steigende Menge in Südamerika liegt. Dort konnten in den vergangenen Jahren Kokain-Anbauer die Produktion deutlich erhöhen, sie drängen mit ihrer Droge förmlich auf den europäischen Markt. Im Fokus der Banden stehen dabei weiterhin die Häfen, auch in Deutschland. Ein großer Anteil der aktuellen Sicherstellungen geht auf die Containerhäfen in Hamburg und Bremerhaven zurück. Allein in Hamburg konnten in diesem Jahr zwei Großlieferungen abgefangen werden, die zusammen zwei Drittel der gesamten beschlagnahmten Menge ausmachten.
Mehr Personal gegen Schmuggler
Der Chef der Hamburger Zollfahndung, René Matschke, sagte dem NDR, er habe sowohl in Hamburg als auch in Bremerhaven inzwischen "mehr Personal zur Bekämpfung des Kokainhandels eingesetzt". Im Falle des über Bremerhaven eingeführten Kokains habe die Zollfahndung Erkenntnisse, dass dieses auch über dort ansässige Clans verteilt werde.
Bessere Strategie gegen Kokainhandel
Nach Informationen des NDR arbeitet auch das Bundeskriminalamt (BKA) derzeit an einer verbesserten Strategie, um den internationalen Kokainhandel effektiver bekämpfen zu können. Die Initiative geht offenbar auf die Bitte mehrerer norddeutscher Landeskriminalämter zurück, die sich mit den Kokain-Schmugglern zunehmend allein gelassen fühlten. Vom BKA hieß es, man stimme sich derzeit mit dem Zollkriminalamt und den Landeskriminalämtern "zum weiteren Vorgehen" ab.
Mitarbeiter internationaler Sicherheitsbehörden beobachten dabei einen weiteren Trend auf dem Kokainmarkt: Hochspezialisierte Geldwäscher-Banden, die sich im Auftrag der Kartelle allein darum kümmern, die Drogengelder zu waschen und zurück nach Südamerika zu transferieren. Recherchen des NDR zeigen, dass weltweit insbesondere libanesische Netzwerke in der Kokaingeldwäsche auffallen.
Libanesische Banden waschen Kokaingeld
Die amerikanische Drogenpolizei Drug Enforcement Administration (DEA) sagte dem NDR, man gehe davon aus, dass libanesische Banden bis zu 50 Prozent des in Europa anfallenden Kokaingeldes waschen. In einem ersten Schritt kaufen die zumeist aus dem Libanon gesteuerten Gruppen unter anderem Luxusuhren, Schmuck und Autos und verkaufen diese wiederum im Ausland. Immer wieder wird für diesen ersten Schritt der Geldwäsche auch Deutschland genutzt.
Spur führt nach Beirut
Die daraus erwirtschafteten Gewinne werden dann oftmals über libanesische Wechselstuben an die Kartelle in Südamerika zurück transferiert. Recherchen des NDR belegen, dass im Falle einer europaweit agierenden Bande auch ein Geschäftsführer des Flughafens in Beirut sowie ein leitender Mitarbeiter der Flughafensicherheit in die Geldwäsche eingebunden waren. Beide sind offenbar bis heute im Amt. Das libanesische Innenministerium wollte sich auf Nachfrage nicht zu dem Fall äußern. Zahlreiche Indizien sprechen dafür, dass auch die schiitische Hisbollah von den Geldwäschegeschäften profitiert. So sollen Mittelsmänner der Geldwäscher einen Teil des Gewinns an die Partei gegeben haben. Eine Sprecherin der Partei widerspricht der Darstellung: Man habe mit Drogengeschäften nichts zu tun.
Die Ergebnisse der einjährigen Recherche zu libanesischen Geldwäschenetzwerken sind ab sofort im ARD-Radiofeature "Die Libanon-Connection" zu hören.