Der Luxemburg-Leaks-Datensatz
Das Projekt Luxemburg Leaks begann an einem regnerischer Dienstagmorgen in Brüssel. Das ICIJ hatte seine Partnermedien eingeladen, darunter auch der NDR, WDR und die "Süddeutsche Zeitung". In einem einfachen Konferenzsaal, bei Kaffee und Brötchen, beginnen die ICIJ-Journalisten zu plaudern. Und schnell wird klar, dass sie einen wahren Schatz haben, den es zu heben gilt.
Knapp 4,4 Gigabyte an Daten sind dem ICIJ zugespielt worden, sogenannte "Advance Tax Agreements" (ATA). Diese Steuervereinbarungen zeigen, wie die Wirtschaftsberater von PricewaterhouseCoopers (PwC) in Luxemburg maßgeschneiderte, teilweise sehr komplexe Unternehmensstrukturen für die Firmen entwickeln, mit denen diese Steuern sparen. Das alles geschieht nicht nur mit dem Wissen, sondern auch mit der Zustimmung der Luxemburger Behörden. Wenn die teilweise mehrere Hundert Seiten langen Strukturierungspläne ausgefertigt sind, legt PwC sie in der Finanzverwaltung vor - ein Stempel, eine Unterschrift, fertig ist der offiziell anerkannte Plan zur Steuervermeidung.
Datensatz umfasst fast 28.000 Seiten
Die Dokumente erlauben nun erstmals einen tiefen Einblick in diese Schattenwelt, in der PwC und andere Beraterfirmen für stattliche Honorare die Steuerquote großer Konzerne drücken. Insgesamt umfasst der Datensatz fast 28.000 Seiten, die meisten davon sind datiert auf die Jahre 2008 bis 2010: Sie zeigen, wie sich 343 Firmen aus aller Welt von PwC in Luxemburg beraten ließen. Fast 80 Journalisten aus 26 Ländern haben die Unterlagen bearbeitet, Firmenstrukturen entschlüsselt und Handelsregister-Auszüge gewälzt. Weltweit haben sie mit Experten gesprochen, Doppelbesteuerungsabkommen gelesen und Gesetzestexte verglichen. Das Ergebnis ist ein weltumspannendes Investigativ-Projekt, an dem sich 32 Medien beteiligen, darunter "The Guardian" aus Großbritannien, "Le Monde" aus Frankreich und CNBC aus den USA.
Von Steuerfahndern und Anwälten analysiert
Eine herausragende Rolle nimmt dabei Edouard Perrin ein. Der Reporter des Fernsehsenders France 2 war der erste Journalist, der die Unterlagen gesehen und auf ihrer Grundlage berichtet hat, bevor sie das ICIJ zugespielt bekam. Er konnte auch erste Anhaltspunkte zur Bewertung der oft komplizierten, über mehrere Ländergrenzen hinweg agierenden Firmenkonstrukte geben. Trotzdem blieben die Interpretation der Unterlagen anspruchsvoll: Allein NDR, WDR und SZ haben mit mehr als einem Dutzend Experten gesprochen. In oft vertraulicher Runde haben ehemalige Steuerfahnder, Verwaltungsbeamte und Anwälte ihre Analysen zu den Dokumenten abgegeben. Zwar kamen sie im Detail nicht immer zum gleichen Ergebnis, schließlich haben bei PwC die bestausgebildeten Steuerexperten Europas daran gearbeitet. Aber in der Gesamtheit waren sich alle einig: Der Datensatz taugt dazu, den Blick auf das sonst so unscheinbare, gut organisierte und als vertrauenswürdig geltende Nachbarland nachhaltig zu erschüttern.