Arzneien außer Kontrolle
Im Mai dieses Jahres haben Arzneimittel-Kontrolleure endlich mal genauer hingesehen. Was dabei herausgekommen ist, erschüttert jetzt die Pharma-Branche. Mitarbeiter der französischen Behörde für Arzneimittelsicherheit haben Studien des indischen Unternehmens GVK Bio überprüft - das Ergebnis: In allen neun stichprobenartig erfassten klinischen Tests wurden Ergebnisse gefälscht. Das Problem: GVK Bio ist nicht irgendein Unternehmen. Es ist eines der größten Auftragsforschungsunternehmen Asiens. Hunderte Studien hat die Firma in den letzten Jahren durchgeführt - nach eigenen Angaben für etwa 300 Kunden, darunter eine ganze Reihe der weltweit führenden Pharmaunternehmen.
Jetzt greifen die Aufsichtsbehörden hart durch - zumindest in Deutschland. Das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) will einige Zulassungen sofort suspendieren. Die Medikamente dürfen dann nicht mehr verkauft werden - solange, bis die betroffenen Unternehmen neue Testergebnisse vorlegen können. Am Ende könnte es mehr als 100 Präparate treffen und die Konzerne viel Geld kosten.
Reaktion der Behörden kommt sehr spät
Allerdings kommt die Reaktion reichlich spät. Denn nach den bisherigen Erkenntnissen der Behörden hat die indische Firma über Jahre hinweg systematisch Ergebnisse von klinischen Tests gefälscht. Und niemand hat es bemerkt - weder die indische Aufsicht, noch die Auftraggeber, noch die internationalen Behörden, von denen einige die Firma zertifiziert haben. Erschwerend kommt hinzu, dass das indische Unternehmen in der Vergangenheit schon mehrfach negativ aufgefallen ist. Zwei Menschen starben 2008 und 2009 nach Arzneimitteltests, 2011 berichteten dann Medien darüber, dass Teilnehmerinnen einer Studie nicht richtig über mögliche Risiken aufgeklärt wurden, die Frauen konnten weder lesen noch schreiben. Viele von ihnen klagten nach der Einnahme des Medikaments über Übelkeit und Schmerzen.
Kontrollen reichen nicht aus
Der aktuelle Fall könnte sich zu einem der größten Pharmaskandale der vergangenen Jahre entwickeln. Denn bislang konzentrieren sich die Untersuchungen der Behörden nur auf Studien zu Generika. Doch GVK Bio hat auch viele andere Forschungen im Auftrag großer Pharmakonzerne durchgeführt. Und der Fall zeigt, dass die Kontrollen vollkommen unzureichend sind. In den vergangenen Jahren hat die Pharmabranche immer mehr Studien in Schwellenländer verlagert. Dort sind die Kosten deutlich niedriger, und die Firmen finden leichter willige Testpersonen für geringe Aufwandsentschädigungen. Experten weisen schon seit Langem darauf hin, dass bei klinischen Studien in diesen Ländern oft nicht sauber gearbeitet, gepfuscht oder sogar gefälscht wird - bislang ohne Folgen. Das hat sich jetzt immerhin geändert.