Ist die NATO nur bedingt zukunftsfähig?
Zum NATO-Gipfel in Chicago kommen nicht nur die Staats- und Regierungschefs der 28 Bündnismitglieder. Eingeladen sind auch die Regierungschefs derISAF-Truppensteller. Bis Ende 2014 will die NATO die Kampftruppen abziehen. Dann sollen die Afghanen die Sicherheitsverantwortung im ganzen Land übernehmen. In mehreren Regionen hat die Übergabe bereits stattgefunden. Die NATO spricht von Transition.
USA und NATO sehen Afghanistan auf gutem Weg
Die ISAF konzentriert sich inzwischen auf die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte. Eine schwierige Aufgabe. Viele Rekruten sind Analphabeten. Inzwischen gibt es mehr als 300.000 Sicherheitskräfte. Kritiker monieren aber deren Qualität. Die NATO und auch die USA sehen sich allerdings auf einem guten Weg. Das Pentagon präsentiert dem US-Kongress regelmäßig einen Report über die Entwicklung in Afghanistan.
Afghanistan nach 2014
Für die Zeit nach 2014 haben die USA Anfang des Monats ein strategisches Partnerschaftsabkommen mit Afghanistan abgeschlossen. Der Inhalt ist allerdings sehr allgemein gehalten. Washington wird die afghanischen Sicherheitskräfte zwar weiterhin bei der Ausbildung unterstützten, US-Präsident Barack Obama verkündete aber unmittelbar nach der Unterzeichnung in einer Fernsehansprache, dass die USA keine eigenen Militärstützpunkte errichten werden. Zuvor war bereits vereinbart worden, dass die umstrittenen nächtlichen Kommandoaktionen, die sogenannten Night Raids, nur noch in afghanischer Verantwortung erfolgen dürfen.
Deutschland hat inzwischen ebenfalls ein Partnerschaftsabkommen mit Afghanistan abgeschlossen. Nach 2014 benötigt das Land jährlich rund vier Milliarden Dollar, um die Sicherheiskräfte bezahlen zu können. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat 150 Millionen Euro pro Jahr zugesagt.
Smart Defence
Angesichts der Sparzwänge sollen die NATO-Länder bei Rüstungsprojekten enger kooperieren. In Chicago sollen mehr als 20 multinationale Vorhaben präsentiert werden. Darunter sind allerdings auch alte Projekte, die seit Jahren angestrebt werden, aber nicht so richtig vorankommen. Beispielsweise das Bodenüberwachungssystem AGS (Alliance Ground Surveillance).Wie Smart Defence aus NATO-Sicht funktionieren soll, das erfahren Sie hier.
NATO-Raketenabwehr
In Chicago soll eine Anfangsbefähigung der NATO-Raketenabwehr verkündet werden. Angestrebt ist, das Territorium aller Bündnismitglieder vor Raketenangriffen zu schützen. Praktisch sind dazu derzeit nur die USA unter anderem mit ihren Aegis-Kreuzern in der Lage. Sie sind mit SM-3-Raketen ausgestattet. Die Beiträge der Europäer sind eher symbolischer Natur. Die von Deutschland angebotenen Patriot-Raketen sind für eine flächendeckende Raketenabwehr ungeeignet. Das Hauptquartier der Raketenabwehr wird im rheinland-pfälzischen Ramstein eingerichtet. Mehr zum Thema der Raketenabwehr auf dieser Internetseite der Sendereihe Streitkräfte und Strategien.
Streit mit Russland
Auf dem NATO-Gipfel in Lissabon im November 2010 haben Russland und die NATO vereinbart, bei der Raketenabwehr zusammenzuarbeiten.
Auszug aus der NATO-Russland-Erklärung auf dem Gipfel von Lissabon. Damals hoffte die NATO noch auf eine Verständigung bei der Raketenabwehr:
Doch von einer Kooperation ist man weit entfernt. Russland befürchtet, die Raketenabwehr könnte das eigene nukleare Vergeltungspotenzial neutralisieren. Anders als von der NATO lange erhofft, reist der russische Präsident nicht zum Gipfel nach Chicago.
Auf einer Konferenz in Moskau machte der stellvertretende NATO-Generalsekretär Alexander Vershbow im Mai deutlich, wie sich das Bündnis eine Zusammenarbeit bei der Raketenabwehr vorstellen könnte:
Russische Drohungen
Die Vorschläge fanden auf der Konferenz keine positive Resonanz. Stattdessen drohte Generalstabsschef Nikolaj Makarov bei dem Treffen mit Präventivschlägen. Russland ist nicht grundsätzlich gegen eine Raketenabwehr. Moskau hat aber konkrete Vorstellungen, wie eine Zusammenarbeit aussehen könnte. Verlangt werden insbesondere rechtliche und vertragliche Garantien, dass der Raketenschild nicht gegen Russland gerichtet ist.