Schadenersatz: Post bittet Mitarbeiter zur Kasse
Der Online-Handel boomt - das sorgt nicht nur für gute Geschäfte bei den Internet-Shops, sondern bedeutet auch immer mehr Stress für die Paketzusteller der Deutschen Post, die die Sendungen ausliefern müssen. Und dabei passieren nach Recherchen von NDR Info immer häufiger Verkehrsunfälle. Bis zu 150 Mal täglich kracht es inzwischen. Die Deutsche Post lässt sich die dabei entstehenden Schäden immer häufiger von den Beschäftigen erstatten.
Die Deutsche Post verlangt von immer mehr Brief- und Paketzustellern Schadensersatz. Das hat eine interne Auswertung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ergeben, die NDR Info vorliegt. Danach hat der im DAX notierte Konzern allein 2013 von Arbeitnehmern Regresseinnahmen in Höhe von annähernd einer Million Euro erzielt. Verglichen mit den beiden Vorjahren entspricht das einer Steigerung in Höhe von 60 Prozent. Gestiegen ist auch die Zahl der Regressfälle - von rund 5.000 (2011) auf fast 7.000 (2013). Im Brief- und Paketdienst der Deutschen Post arbeiten rund 100.000 Mitarbeiter.
Deutsche Post äußert sich zu Zahlen nicht
Wie aus der ver.di-Statistik auf Basis von bundesweiten Betriebsrätebefragungen außerdem hervorgeht, sind die Schadenersatz-Forderungen der Deutschen Post sogar noch deutlich höher als die tatsächlich erzielten Einnahmen. 2013 verlangte das Unternehmen von Mitarbeitern Zahlungen in Höhe von rund 1,8 Millionen, 2012 rund 1,6 Millionen, 2011 fast 1,2 Millionen Euro. Allerdings befinden sich noch viele Fälle in Bearbeitung. Das Unternehmen wollte sich zu diesen Zahlen auf Anfrage von NDR Info nicht äußern.
Mehr Unfälle, mehr Schäden
In Regress nimmt das Unternehmen zum Beispiel Paket- und Briefzusteller, wenn diese bei der Auslieferung ein Fahrzeug beschädigen, oder wenn eine in der Nachbarschaft abgegebene Sendung den eigentlichen Adressaten nicht erreicht. Die Post wertete dieses Verhalten dann in der Regel als "grob fahrlässig". Nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sind diese Beschäftigten in Deutschland täglich in bis zu 150 Verkehrsunfälle verwickelt. 2013 haben sich rund 51.000 Unfälle ereignet. Im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von mehr als acht Prozent.
Beschwerden der Belegschaft häufen sich
Nach ver.di-Ansicht entwickelt sich der Bereich Regresse für die Deutsche Post zu einer regelrechten "Einnahmequelle in Zeiten knapper werdender Budgets". Weil sich die Beschwerden der Belegschaft über das Verhalten der Konzern-Leitung zuletzt gehäuft haben, diskutierten die Betriebsräte des Unternehmens das Thema kürzlich im Rahmen einer Tagung in Bad Godesberg. Rolf Bauermeister, beim ver.di-Bundesvorstand für den Bereich Postdienste zuständig, sagte NDR Info: "Die Post hat völlig überzogene Gewinnerwartungen und holt sich das Geld jetzt bei den Beschäftigten. Denen gegenüber ist das eine Riesensauerei."
Aufrechnung mit Gehaltszahlungen möglich
Die Deutsche Post teilte NDR Info schriftlich mit, der Umgang mit Regressfällen erfolge auf gesetzlicher sowie tarifvertraglicher Grundlage. Dabei könne es auch zu einer Aufrechnung einer Regressforderung mit Gehaltszahlungen kommen. Das Unternehmen beruft sich auf den Paragraphen 12 des Manteltarifvertrages der Deutschen Post AG. "Auf dieser Basis werden vorliegende Fälle von Regressforderungen von der zuständigen Niederlassung festgestellt und die Beurteilung des jeweiligen Verschuldensgrades von Fall zu Fall vor Ort geprüft", so der Konzern. Die Einleitung des Regressverfahrens und daraus folgende mögliche Gehaltskürzungen würden erst nach detaillierter Prüfung des Sachverhaltes und nach Feststellung der tarifvertraglichen Voraussetzungen, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, erfolgen.
Arbeitnehmer scheuen häufig Konflikt mit Arbeitgeber
Nach der Erfahrung von Arbeitsrechtsrechtlern scheuen Arbeitnehmer in solchen Fällen häufig einen Konflikt mit dem Arbeitgeber - aus Angst um den Job. "Das kenne ich aus meiner eigenen Praxis auch, dass von dem Arbeitnehmer in die Überlegung einbezogen wird, was kann das für Konsequenzen haben, wenn ich mich mit dem Arbeitgeber um die Zahlung streite. Fair ist das nicht, aber der Bestand des Arbeitsverhältnisses ist dann dem einen oder anderen doch wichtiger", so der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christian Wieneke-Spohler.