Wenn Ferienkinder auf Harry Potter treffen
In Niedersachsen sind die Herbstferien schon vorbei. Aber in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern laufen sie noch. Wie schön, sollte man denken. Aber für viele Kinder sind die Ferien eher eine Zeit großer Langeweile und Einsamkeit, in der sie das Gelernte aus der Schule wieder vergessen. Für Kinder, die ohnehin schon Lernschwierigkeiten haben, soziale Probleme oder größere Sprachlücken bedeuten die Ferien oftmals einen Rückschritt. Wer nur vorm Fernseher sitzt und Gelerntes nicht mehr anwenden kann, verlernt es auch wieder. Im Hamburger Stadtteil Lurup gibt es deshalb eine Zauberschule, wie die "NDR Info Perspektiven" berichten.
"Ladies and Gentlemen! Willkommen zum ersten Quidditch-Match des Tages", tönt es auf einer Wiese hinter dem Bildungshaus in Hamburg-Lurup. "Macht euch bereit für ein spannendes Spiel.“ Auf der Wiese hinterm Schulgebäude wuseln die Kinder über den Platz. Mehrere Bälle fliegen durch die Luft. Wer nicht auf dem Feld ist, feuert die Kameraden an. Sie spielen Quidditch - in bester Harry-Potter-Manier. Eine Frau in schwarzem Umhang verfolgt das Geschehen vom Spielfeldrand; sie lächelt freundlich unter ihrem spitzen Zauber-Schlapphut. Es ist Ulrike Kloiber. Sie leitet die Kita und die Ganztagsbetreuung im Bildungshaus Lurup; sie hat auch die Zauberschule organisiert - und dafür als erstes Vorschläge übers Internet gesammelt.
Mit echten Eulen und einem Zauberer
"So kam die Falknerei ins Spiel, die gesagt hat, sie kommt mit echten Eulen", erklärt Kloiber. "Dann haben wir einen Zauberer, der eine Zaubershow macht." Weitere Programmpunkte: Kürbisse schnitzen und Kräuterkunde mit einer älteren Dame, die aus den Kräutern Kräuterquark macht. "Es gibt den 'Tropfenden Kessel', das ist unsere Haus-Kneipe", verrät Kloiber."Dort können sich die Kinder ausruhen und einen Zaubertrank trinken."
Kita und Grundschule tun sich zusammen
Drei- bis viermal so viele Kinder wie sonst in den Ferien haben sich für die Zauberschule angemeldet. Das ist schon mal ein Erfolg. Denn eine umfassende, möglichst frühe, bruchlose Förderung der Kinder unter Einbeziehung der ganzen Familie - das ist das Konzept des Bildungshauses Lurup. Hierfür haben sich die Kita Moorwisch und die Grundschule Langbargheide Lurup zusammengeschlossen - und ein gemeinsames Erziehungskonzept entwickelt.
Ein Eltern-Kind-Zentrum gehört dazu. Hier gibt es Kaffee und Getränke. Auf dem Boden sind Bauklötze verstreut; zwei Kinder schieben eine Lokomotive über Spielzeuggleise. Eine Mutter mit Kopftuch hat sich ihren 15 Monate alten Sohn aufs Knie gesetzt: "Für uns ist es nur eine Minute Weg. Und unser Sohn kommt raus, hat viele Kontakte und lernt sehr viel. Zu Hause habe ich diese Möglichkeiten nicht."
Hilfe auch für die Eltern
Im Bildungshaus Lurup ist alles dicht beieinander; der Umgang ist familiär. Für die Kinder gibt es eine Ganztagsbetreuung, für die Eltern eine Service- und Beratungsstelle. Verschiedene Vereine und Organisationen bieten hier Hilfestellung in mehreren Sprachen an. Das Spektrum reicht von psychosozialer Beratung bis zum Erfahrungsaustausch beim Nachbarschaftscafé. "Wir bieten auch Hilfe beim Umgang mit Behörden", erläutert die Koordinatorin Leandra Reimann. Also zusammen Formulare ausfüllen und Anträge stellen, wenn man etwas nicht versteht in deutscher Sprache." Lurup ist ein Stadtteil mit hohem Migranten-Anteil und niedrigem Einkommen in den meisten Familien.
"Es geht auch darum, selbstständig zu werden"
Das Bildungshaus - tatsächlich ist es ein Areal mit mehreren Häusern - ist ein Treffpunkt im Stadtteil. Hier spielt sich Luruper Leben ab. Kita und Grundschule, Lehrer, Sonderpädagogen und Erzieher arbeiten eng zusammen. Jedes Kind erhält einen persönlichen Entwicklungsplan und wird so von ganz klein an begleitet, bis zum Ende der Grundschulzeit. So machen die Kinder kontinuierlich Lernfortschritte, sagt die Schulleiterin Annette Berg - jetzt in der Zauberschule auch. "Es geht um Kochen, es geht um selbstständig werden, es geht um Teamarbeit, es geht um Fair Play, es geht auch um Zuhören." Jeden Tag gebe es auch eine Lesezeit. Zudem sollen die Kinder zwischendurch mal etwas schreiben. Die Kinder sind begeistert - natürlich auch von der Zauberschule: "Man lernt halt nicht nur, man hat auch Spaß", meint ein Kind strahlend.