Ein zweites Leben für Batterien aus E-Autos
Zwei Beispiele aus Norddeutschland zeigen: Es gibt klimafreundliche Lösungen für gebrauchte Batterien aus Elektro-Autos. Zum einen können die Akkus als Energiespeicher weiter genutzt werden. Zum anderen ist es möglich, die wertvollen Rohstoffe wie Kobalt und Lithium zu recyceln.
Lasse Bartels ist erst 34 Jahre alt, mit dem Klimaschutz und Energiefragen beschäftigt er sich aber schon lange. Familienbedingt. "Mein Vater ist Landwirt, er hat in den 90er-Jahren Windkraftanlagen aufgebaut und eine der ersten Bürger-Windkraftanlagen mit aufgebaut. Ich habe die erneuerbaren Energien somit in die Wiege gelegt bekommen", erzählt Bartels im Podcast "Mission Klima - Lösungen für die Krise". Er ist Ingenieur und Unternehmensgründer. Sein Spezialgebiet: die Wiederverwendung von Akkus aus E-Autos.
Gebrauchte Batterien aus ganz Deutschland
In Salzgitter - auf dem Gelände von Bosch - führt Lasse Bartels durch eine Halle, wo das Herzstück seiner Firma LB Systems zu finden ist. LB steht für "Lasse Bartels". Bosch hat ihm einen Teil einer Produktionshalle überlassen, weil sie die Idee des Unternehmens überzeugend finden. Bei der Halle kommt alle paar Wochen ein Lastwagen voll mit E-Auto-Batterien aus ganz Deutschland an. Ein Großteil davon stammt von Batterie-Herstellern und Autobauern. Eine Batterie ist in etwa so groß wie ein Bett und wiegt bis zu 700 Kilogramm.
Noch ist vieles Handarbeit
Im ersten Schritt gilt es herauszufinden, ob die gelieferten Batterien aus Elektroautos oder aus Hybrid-Fahrzeugen noch gut in Schuss sind. Heißt konkret: wie viel Leistung sie noch bringen. Dafür muss jede Batterie per Hand geöffnet werden. Weil es so viele unterschiedliche Batterie-Typen gibt, ist dieser Prozess noch nicht automatisiert. Zunächst wird die Ummantelung aus Eisen mit einem Akkuschrauber entfernt. Zum Vorschein kommen die Module, jeweils so groß wie ein Schuhkarton.
Eine Sache von Sekunden: Wie leistungsfähig sind die Module?
Mitarbeiter schließen die Batteriemodule nun an einen Computer an, lesen die Module aus und gleichen sie mit einer großen Datenbank von Batterie-Modellen ab, die sie schon kennen. "Innerhalb von Sekunden können wir feststellen, wie leistungsfähig die Module noch sind", sagt Bartels. Die schwächste Zelle in einem Batteriemodul bestimme die Gesamt-Ladekapazität des Moduls.
Schließlich baut LB Systems mehrere Module vom selben Typ zusammen - zu großen Energiespeichern, die unter anderem im eigenen Onlineshop verkauft werden. Ein neuwertiges Batteriemodul kostet zum Beispiel 400 Euro. LB Systems gibt eine Garantie von ungefähr acht bis zehn Jahren auf seine Speicher.
Praktische Energiespeicher für Wohnmobile und Hausbesitzer
Die kleinste Version der Energiespeicher wird viel in kleineren Booten verwendet - und in Wohnmobilen. Wer ein kleines Solarpanel auf dem Dach seines Wohnmobils hat, kann die Sonnenenergie auf diese Art speichern und den Strom später dann im Dunkeln oder bei Schlechtwetter nutzen. Die nächstgrößeren Energiespeicher, die etwa 1,80 Meter hoch sind, verkauft LB Systems zum Beispiel an Hausbesitzer. Für die Speicherung von Energie aus einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach.
Ein wichtiger Baustein für die Energiewende
Für die größten Speicher schaltet LB Systems 40 bis 80 Autobatterie-Systeme hintereinander: Diese Speicher können bei großen Photovoltaik-Anlagen oder Windparks eingesetzt werden. Solche Energiespeicher sind wichtig für die erforderliche Energiewende: Denn bislang werden Windräder oft abgeschaltet, weil bei zu viel Wind sonst das Stromnetz überlastet wäre. Besser wäre es in solchen Situationen, die Windräder weiterlaufen zu lassen und die Energie “zwischenzuspeichern", bevor sie ins Stromnetz eingespeist wird.
Rentiert sich das?
So sinnvoll die Wiederaufbereitung gebrauchter Batterien aus E-Autos auch ist, noch lässt sich damit kein Geld verdienen. Lasse Bartels sagt, die Forschungs- und Entwicklungskosten seien noch sehr hoch. Immerhin: Mit den Einnahmen aus dem Verkauf der Energiespeicher könnten die Produktions- und Personalkosten gedeckt werden. Noch läuft die Produktion auch im kleinen Stil. Das Unternehmen gibt es seit 2019, seitdem hat LB Systems etwa vier Seecontainer voll Batterien umfunktioniert. Aber Lasse Bartels hat große Pläne: In diesem Jahr soll die die Produktion ausgeweitet werden, aus zurzeit sieben Mitarbeitern sollen innerhalb von zwei Jahren 50 werden. Kürzlich hätte LB Systems mit einem großen europäischen Automobil-Hersteller einen Vertrag zur Zusammenarbeit abgeschlossen haben, erzählt Bartels.
Duesenfeld: So geht Batterie-Recycling
Selbst eine weiterverwendete Batterie gibt irgendwann den Geist auf. Dann sollten die Batterien im günstigsten Fall recycelt werden. Das Recycling ist für eine ressourcensparende Wirtschaft wichtig, weil in den Batterien seltene Rohstoffe wie Nickel, Kobalt und Lithium stecken, die oft unter menschenunwürdigen Bedingungen und mit negativen Folgen für die Umwelt gefördert werden.
"Die Batterien bringen ihren eigenen Strom mit"
Und hier kommt die Firma Duesenfeld in der Nähe von Braunschweig ins Spiel - nur 20 E-Auto-Minuten entfernt von LB Systems. Die Firma Duesenfeld besteht seit sechs Jahren, dort schicken Entwickler und Auto-Hersteller ihre Batterien zum Recyceln hin. Diese Batterien sind meistens noch teilweise oder sogar ganz geladen. "Das ist eine Menge Strom, den wir aus der Batterie entnehmen", berichtet Julius Schuhmacher. Er ist 26 Jahre alt und arbeitet seit drei Jahren bei Duesenfeld. "Die Energie nutzen wir für den Betrieb unseres Anlagenparks. Ich sage immer: Die Batterien bringen ihren eigenen Strom mit, um sich zu recyceln." Im Jahresmittel decken sie auf diese Art 50 Prozent des Stromverbrauchs ihrer Fabrik- der Rest ist Ökostrom aus dem Netz.
Schreddern statt einschmelzen
Nach dem Entladen wird die Batterie ähnlich wie bei LB Systems mechanisch geöffnet. Das Entladen und das Öffnen dauern etwa eine halbe Stunde. Dann kommen die einzelnen Batterieteile auf ein Laufband und in eine große Anlage - eine Art Reißwolf für Metall. "Die Batteriezellen werden dort aufgerieben, zerkleinert, geschreddert", sagt Schumacher.
Die festen, gehäckselten Teile der Batterie werden durch unterschiedliche Siebe geleitet, sodass sich die Bestandteile voneinander trennen. Also etwa Stahl und Kunststoff aus dem Gehäuse. Aber den Recyclern geht es vor allem um die Stoffe Lithium, Kobalt, Nickel und Mangan, die in der Batteriezelle enthalten sind.
Wie viele wertvolle Rohstoffe in einer Lithium-Ionen-Batterie verarbeitet sind, variiert je nach Batterietyp. Aber in groben Zügen gilt: 25 Prozent einer Batterie bestehen aus Graphit, 8 Prozent aus Nickel, 3 Prozent aus Kobalt - und dann gibt es noch Mangan, Lithium und eine Flüssigkeit als Leitmedium, der Elektrolyt.
Duesenfeld trennt diese Flüssigkeit mit einem speziellen Verfahren, auf das sie ein Patent angemeldet haben - bei relativ niedrigen Temperaturen, um Energie zu sparen. Neben den Gehäuse-Resten und der Flüssigkeit wird am Ende ein sehr feines schwarzen Pulver gewonnen, das aus Graphit, Nickel, Kobalt und Lithium besteht. Das schwarze Pulver wird an Partner verkauft, die vieles nochmal chemisch aufbereiten, damit sie letztlich an Kobalt, Nickel, Lithium und Graphit in Reinform herankommen. Aluminium und Kupfer werden ebenfalls weiterverkauft.
91 Prozent einer Batteriezelle werden recycelt
Duesenfeld gibt an, dass die Firma von einer Batteriezelle 91 Prozent recycelt. Das heißt: 91 Prozent der gebrauchten Zelle kann man wieder für den Bau von neuen Batterien verwenden. Bei den wertvollsten Komponenten, Kobalt oder Nickel, liegt die Quote der Rückgewinnung laut Duesenfeld sogar bei über 91 Prozent. Aber sie recyceln auch andere - weniger wertvolle - Stoffe. "Wir haben das große Ziel der Kreislaufwirtschaft", sagt Schuhmacher. "Das heißt, nicht nur die hochpreisigen Materialien wie Kobalt und Nickel sollten recycelt werden, sondern die gesamte Batterie soll im ganz hohen Maßstab wiederverwendet werden können."
Noch zahlt sich das Recycling nicht aus
Das Problem dabei: Rein wirtschaftlich betrachtet ist es bislang attraktiver, Batterien einzuschmelzen und sich nur darauf zu beschränken, die wertvollen Stoffe wie Kobalt, Nickel und Kupfer herauszubekommen.
"Das wird sich aber drastisch ändern", sagt Arno Kwade von der Technischen Universität Braunschweig. Er ist dort Leiter des Instituts für Partikeltechnik sowie der Batterie-Lab-Factory Braunschweig, eines Forschungszentrums. Kwade beschäftigt sich seit Jahrzehnten wissenschaftlich mit Batterien und berät unter anderem das Bundes-Forschungsministerium. "Mit den größeren Mengen an gebrauchten Batterien und damit auch größeren Recycling-Anlagen wird sich das Recycling für die Unternehmen deutlich besser rechnen."
Gut für die Umwelt: Mindestens 25 Prozent weniger CO2
Offensichtlich sei schon jetzt der Vorteil des Batterie-Recyclings für die Umwelt. "Für eine Batterie, die aus recyceltem Material hergestellt wird, wird 2,7 Tonnen CO2 weniger benötigt als für eine Batterie aus neuen Materialien", sagt Kwade. Mit anderen Worten: Mihilfe von Recycling könnten 25 bis 30 Prozent CO2 eingespart werden.
"Beim Einschmelzen ist es schwierig, Lithium zurückzugewinnen"
Grob gesagt gibt es bei Altbatterien zwei Verfahren zum Recycling: Schreddern und dann chemisch behandeln wie bei Duesenfeld in Niedersachsen oder einschmelzen. Was ist besser? "Beide Wege haben ihre Herausforderungen und auch Chancen", sagt Experte Kwade. "Das Einschmelzen, was heute etablierter ist, ist robuster, führt aber im Wesentlichen nur zur Zurückgewinnung von Kobalt, Nickel und Kupfer, was heute die wertvollsten Metalle sind. Auf Dauer müssen wir aber aus meiner Sicht höhere Recycling-Quoten schaffen, also auch vermehrt andere Materialien zurückgewinnen." Beim Einschmelzen sei es zudem relativ schwierig, Lithium zurückzugewinnen. "Und deshalb glaube ich, dass dieses Schreddern und chemische Behandeln stärker in den Vordergrund rücken wird", so Kwade.
Am wichtigsten sind die Patente
Duesenfeld recycelt pro Jahr ungefähr 6.000 E-Auto-Batterien. Bei dieser Größenordnung soll es aber nicht bleiben. Das Unternehmen plant einen einen größeren Standort. Das meiste Geld will Duesenfeld nicht mit eigenem Recycling verdienen, sondern mit Patenten. Das Verfahren wird unter anderem schon von BMW angewendet. Und die Nachfrage danach sei groß, heißt es bei Duesenfeld. Denn das Thema Recycling haben auch die großen Autobauer auf dem Zettel.
Zumal die Politik Druck macht. Im Januar 2023 hat die europäische Union den finalen Entwurf für eine neue Batterieverordnung vorgelegt. Wenn sie so kommt wie geplant, dann ist in Zukunft nicht nur geregelt, wie viel der Rohstoffe aus alten Batterien recycelt werden muss, sondern auch, wie hoch der Anteil von recycelten Stoffen in neuen Batterien sein muss.
"Das dauert noch 25 bis 30 Jahre"
Batterie-Experte Kwade warnt aber vor zu viel Euphorie. Denn bis beispielsweise 80 oder 90 Prozent der Rohstoffe für die Batterie-Herstellung aus Recycling stammen können, werde es noch lange dauern. Sehr lange. "Meine persönliche Meinung ist, dass das sicherlich noch 25 Jahre und mehr dauern wird, bis solch hohe Recycling-Quoten erreicht werden können." So lange werde die Industrie bei der Batterie-Herstellung für E-Autos noch in erster Linie auf Primärmaterialien angewiesen sein, also auf Rohstoffe, die nicht aus dem Recycling kommen.