Ein Arzt impft einer Person in den Oberarm. © colourbox Foto: -
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AUDIO: Postvac: Biomarker für Corona-Impfnebenwirkungen (10 Min)

Corona: Seltenen Impfschäden dank Biomarkern auf der Spur

Stand: 21.02.2023 12:28 Uhr

Forschende nutzen Biomarker, um mögliche Folgen einer Corona-Impfung zu untersuchen. Viele Studien konnten beweisen: In den meisten Fällen stehen die Impfung und eine kurz darauf auftretende Erkrankung in keinem Zusammenhang.

von Joachim Budde

Harald Prüß ist niemand, der leichtfertig über schwere Nebenwirkungen der Corona-Impfungen reden würde. "Die allermeisten Beschwerden, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung auftreten, haben wahrscheinlich mit der Impfung überhaupt nichts zu tun", sagt Prüß. Im Einzelfall die genaue Ursache zu ermitteln, ist schwierig. Sogenannte Biomarker können dabei helfen: Organisch messbare Merkmale, die auf Erkrankungen hinweisen - zum Beispiel der Insulinspiegel bei Diabetes oder die Körpertemperatur bei Fieber. Zwischen 30 und 40 Wissenschaftlerteams auf der ganzen Welt suchen nach Biomarkern für Impfschäden durch die Corona-Impfung.

Schwierige Ursachensuche bei Nebenwirkungs-Verdacht

Der Neurologieprofessor Prüß von der Charité in Berlin beschäftigt sich schon lange mit diesem Thema. Erst unlängst hat er einen Patienten in der Klinik gesehen, bei dem tatsächlich ein Verdacht auf einen Impfschaden vorlag: Der ältere Herr reagierte kaum noch auf Menschen, die mit ihm sprachen. Sein Bewusstsein war getrübt. Harald Prüß und sein Team diagnostizierten eine Gehirnentzündung. Bei der Ursachensuche fiel der Verdacht schließlich auf die Corona-Impfung, die der Mann zwei Wochen zuvor bekommen hatte.

Antikörper, die gegen körpereigene Strukturen reagieren

Prüß' Team wurde bei diesem Patienten auf der Suche nach Biomarkern fündig: Im Liquor cerebrospinalis - dem Nervenwasser, das Gehirn und Rückenmark umgibt (kurz: Liquor) - entdeckten die Wissenschaftler Entzündungszellen und große Mengen Antikörper. Die haben im Liquor nichts zu suchen. Dass Menschen nach einer Impfung Antikörper bilden, ist ja gewollt: Bei der Corona-Impfung entwickelt das Immunsystem Antikörper gegen Strukturen auf dem Spike-Protein von Sars-CoV-2. Blockieren die Antikörper das Spike-Protein, versperren sie dem Erreger den Weg in die Zelle. Die Impfung wirkt. Aber: "Antikörper können sowohl gegen das Virus als auch gegen körpereigene Strukturen reagieren und dadurch Schäden verursachen", sagt Harald Prüß.

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Kreuzreaktionen verantwortlich für Impfnebenwirkungen

Kreuzreaktion heißt das im Fachjargon. Ein lange bekanntes Phänomen, auch von der Corona-Impfung: Weltweit sorgten im Frühjahr 2021 ungewöhnlich viele Fälle von Hirnvenen-Thrombosen für Schlagzeilen. Geradezu blitzartig gelang es einem Forscherteam aus Greifswald zu zeigen, dass der Corona-Impfstoff von AstraZeneca diese Vakzine-induzierte immunogene thrombotische Thrombozytopenie (VITT) auslösen kann. Ein anderes Team hat kürzlich gezeigt, welcher Antikörper hinter den seltenen Fällen stecken dürfte, wenn Menschen nach einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff eine Myokarditis entwickeln. Von solch einer Herzmuskelentzündung sind vorwiegend männliche Teenager und Männer unter 30 Jahren betroffen, die sich ein zweites Mal mit dem mRNA-Impfstoff Spikevax von Moderna haben impfen lassen. Aber auch bei Comirnaty von Biontech ist die Komplikation beschrieben.

Ein europäisches Medizinerteam schrieb im Oktober 2022 im New England Journal of Medicine, dass das Immunsystem dieser Patienten ganz spezifische Antikörper gegen Proteine bildet, die Entzündungen hemmen. "Wenn diese Antikörper nachweisbar sind, gibt es auch erhöhte Entzündungswerte und bestimmte Biomarker, die darauf hinweisen, dass wir es bei dieser Impfkomplikation tatsächlich mit einem spezifischen Mechanismus zu tun haben", sagt Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) und Professor an der Universität Heidelberg, "daher ist die kausale Verknüpfung zwischen Impfung und einer Herzmuskelentzündung als Impfkomplikation damit relativ klar."

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Herzmuskelentzündung als Impfnebenwirkung sehr selten

Allerdings ist Myokarditis als Impfnebenwirkung keine große Neuigkeit. Auch bei Impfstoffen gegen andere Erreger tritt sie in sehr seltenen Fällen auf. Ein Team der Nationalen Universität von Singapur hat 22 Studien zu Impfnebenwirkungen ausgewertet. Insgesamt betrachten die Forscher darin mehr als 405 Millionen Impfdosen - außer bei Männern unter 30 war das Risiko, eine Herzmuskelentzündung zu erleiden, identisch zwischen Menschen, die eine Corona-Impfung erhalten hatten und Menschen, die keine Impfung gegen Covid oder eine gegen andere Erreger erhalten hatten.

Forscher aus Chicago haben herausgefunden, dass einige Menschen ungünstigerweise Antikörper herstellen, die sowohl das Virus als auch das körpereigene Enzym Angiotensin zwei binden. Dieses Enzym spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Blutdrucks. Kommt hier durch die Antikörper etwas durcheinander, können Betroffene schnell auf der Intensivstation landen.

Erkrankung durch Impfung? Oft kein nachweisbarer Zusammenhang

Doch die Ursachen für Beschwerden können vielfältig sein. Selbst wenn eine Erkrankung direkt nach einer Impfung auftritt, heißt es nicht, dass die Impfung sie tatsächlich ausgelöst hat. Das Paul-Ehrlich-Institut hat deshalb nach wie vor kein sogenanntes Risikosignal ausmachen können. Das heißt: Viele gemeldete Verdachtsfälle konnten nicht auf die Impfung zurückgeführt werden - rein statistisch wären manche Symptome auch ohne die Impfung etwa gleich häufig in der Bevölkerung aufgetreten, die Wissenschaft spricht vom sogenannten Hintergrundrauschen.

Und das Wissen ist immer noch im Fluss. Beispiel Gürtelrose: Während der Corona-Impfkampagne meldeten mehr Ärzte und Patienten den Verdacht, die Impfung habe eine Gürtelrose ausgelöst - also Windpockenviren aufgeweckt, die im Körper schlummern. Eine Forschergruppe von der University of California in San Francisco hat in einer großen Studie gezeigt, dass die Zahl von Gürtelrosefällen nach einer Corona-Impfung im selben Rahmen lag wie zu anderen Zeiten oder nach Influenza-Impfungen. Der Verdacht war also falsch.

Manche Erkrankungen werden nur zufällig entdeckt

Ein anders Beispiel ist die Multiple Sklerose (MS). Fachleute kennen bei MS das sogenannte radiologische isolierte Syndrom. Immer wieder leben Menschen längere Zeit mit einer MS, ohne sie zu bemerken. Die Erkrankung wird erst entdeckt, wenn sie wegen eines Unfalls beispielsweise eine Kernspintomographie vom Kopf machen lassen müssen. Die MS bleibt also still, bis es einen Auslöser gibt. Das kann passieren, wenn äußere Einflüsse das Immunsystem anregen. Das können Infekte sein - das können aber auch Impfungen sein. "Dann ist die Impfung nicht ursächlich für die MS, sondern war Auslöser einer ersten Manifestation der Multiplen Sklerose", sagt Berlit.

Risiken nach Corona-Infektion höher als nach Covid-Impfung

Und noch etwas übersehen viele Menschen: Sämtliche schwere Folgen, die mit der Impfung in Verbindung gebracht werden, sind für die Erkrankung an Covid längst belegt. Studien zeigen außerdem, dass ein Risiko bei Covid um ein Vielfaches höher ist als bei der Impfung - zum Beispiel das Risiko für Blutgerinnsel. Nach einer Coronavirus-Infektion haben Patientinnen und Patienten ein deutlich höheres Risiko für Thrombosen und damit für Schlaganfälle und Herzinfarkte. Bis zu ein Jahr lang bleibt das Risiko für diese Erkrankungen erhöht. Damit nicht genug: "In der akuten Phase gehen diese Thrombosen häufig mit einer Thrombozytopenie einher," sagt Peter Berlit - also mit einem Mangel an Blutplättchen wie bei der VITT im Zusammenhang mit der AstraZeneca-Impfung.

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Das sieht auch Ulrike Protzer so, die Direktorin des Instituts für Virologie an der Technischen Universität München. "Wenn Sie das Myokarditis-Risiko nehmen: Das ist nach einer Infektion fünf- bis zehnmal so hoch wie nach einer Impfung", sagt Protzer. Das haben britische Forscher Ende 2021in einer großen Studie herausgefunden, in der sie Fälle von Myokarditis und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach den Impfungen und nach Covid-Erkrankungen verglichen haben. Protzer fügt hinzu: Wer mehrere Infektionen mit dem neuen Coronavirus durchmache, bei dem addiere sich dieses Risiko mit jeder Erkrankung - bei der dritten Corona-Infektion also auf den Faktor 15 bis 30.

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