Stand: 26.09.2016 15:53 Uhr

Junge Nordafrikaner boxen sich in Hamburg durch

von Alena Jabarine & Felix Meschede
Christian Görisch am Boxring © NDR Foto: NDR
Christian Görisch ist einer der wenigen, der an die Jugendlichen glaubt und ihnen eine Chance gibt.

Sechs Monate lang nahm sich Projektleiter Christian Görisch der Jungs an, unvoreingenommen, mit harter Hand. Sie trainierten, lernten Deutsch, redeten über Probleme. Schnell gewann Görisch ihr Vertrauen, für Abdelhaq wurde er zu einer Art Vaterfigur. Und vor allem im Boxen zeigte der Marokkaner Talent, mittlerweile ist er Hamburger Vizemeister.

Görisch setzte sich auch dafür ein, dass sein Schützling einen Platz in einer betreuten Jugendwohnung bekam. Und die Bemühungen fruchteten. Heute geht Abdelhaq zur Schule, trainiert täglich, tritt nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung. Und dennoch hängt über ihm das Damoklesschwert der Abschiebung, vor dem ihn momentan nur seine Minderjährigkeit schützt.

Mit der Volljährigkeit endet der Jugendschutz

Für den 19-jährigen Brayan ist die Zeit des Jugendschutzes bereits vorbei. Auch er kam als unbegleiteter Minderjähriger nach Deutschland, nahm Teil an Görischs Box-Projekt. Genau wie Abdelhaq galt er als Intensivtäter, kam für zehn Monate in die Jugendvollzugsanstalt. Dort wurde er volljährig und erhielt mit seiner Entlassung seine Ausweisungsverfügung. Deutschland verlassen soll der junge Mann, der sich Brayan Foks nennt, und von dem keiner so genau weiß, woher er eigentlich kommt.

Ein Problem für die Hamburger Behörden, die Brayan so kaum loswerden können. Zwar hat die Bundesregierung Anfang des Jahres ein sogenanntes Rückübernahmeabkommen mit Algerien und Marokko abgeschlossen, jedoch hilft das wenig in einem Fall, in dem noch nicht einmal klar ist, aus welchem Staat ein abgelehnter Asylbewerber stammt.

Duldung statt Abschiebung

Brayan weiß das, hat daher auch keine Angst vor einer Abschiebung. "Wohin wollen die mich denn schicken, ich habe nichts. Keinen Pass, keine Familie, wohin?" Glücklich ist der 19-Jährige mit seiner Situation trotzdem nicht. Denn die Alternative einer Abschiebung heißt für ihn: Duldung, immer für einen Zeitraum von vier Wochen, und das auf unbestimmte Zeit.

Für BoxOut-Geschäftsführer Görisch ist dieser Zustand ein Teufelskreis. Denn wenn man jungen Männern wie Brayan keine wahre Perspektive gebe, treibe man sie dadurch doch erst recht in die Kriminalität. "Als Geduldeter kann Brayan nicht arbeiten, kriegt keine Wohnung, wovon soll er denn auf legalem Weg leben?"

"Es fehlt eine professionelle Betreuung"

Görisch ist sich sicher, Jungs wie Abdelhaq und Brayan haben in Deutschland nie eine wahre Chance bekommen. "Die sind als Kinder den ganzen Weg alleine von Afrika nach Deutschland gekommen, die waren doch mit ihrer Ankunft hier schon alle traumatisiert." Eigentlich hätten die Minderjährigen von Anfang an intensiv und professionell betreut werden müssen, sagt Görisch.

Behörde räumt Probleme ein

Eine Forderung, die aus Perspektive der Hamburger Behörden zumindest während der Hochphase des Flüchtlingszustroms nicht zu erfüllen war. So räumt der Landesbetrieb für Erziehung und  Beratung, in Hamburg zuständig für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, in einer Broschüre vom August 2016 ein, dass die Personalstandards in der Betreuung der Minderjährigen zumindest zeitweise nicht mehr eingehalten werden konnten. Als Grund dafür nennt er insbesondere die Tatsache, dass ein Großteil der Flüchtlinge nicht auf die Kommunen, sondern auf Großstädte verteilt worden wären, mit voran Hamburg.

 Zahl der minderjährigen Flüchtlinge ist zurückgegangen

Mittlerweile ist Zahl der neu ankommenden minderjährigen Flüchtlinge drastisch zurückgegangen. Doch viele Jungs von damals sind noch immer hier. Abdelhaq hofft mit seinen 17 Jahren auf ein Wunder, glaubt, dass er hier am Ende vielleicht doch noch eine Chance bekommt. Der 19-jährige Brayan aber hat nicht mehr viel zu hoffen.

Brayan wünscht sich eine Ausbildung

Um ihn vor einem Leben im Untergrund zu bewahren, hat Christian Görisch ihm vorübergehend ein Zimmer bereitgestellt. Tagsüber hilft Brayan im Boxverein, putzt, trainiert die Kleinen. Eine langfristige Lösung ist das nicht, das weiß Brayan. Doch eine Alternative sieht er nicht. "Was soll ich denn machen", sagt er, während er Boxhandschuhe in ein Regal sortiert. "Wenn ich den Boxverein nicht hätte, bliebe mir nur noch die Straße, Drogen und Klauen." Brayan sagt, er wünsche sich die Erlaubnis, zur Schule gehen zu dürfen, eine Ausbildung zu beginnen. Im Moment sieht es nicht danach aus, als würden sich seine Hoffnungen erfüllen.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 27.09.2016 | 21:15 Uhr

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