VIDEO: Demokratie: Wie ein Hamburger Magazin sie lebt (2 Min)

Wie blicken Migranten und Migrantinnen auf unser Grundgesetz?

Stand: 16.05.2024 12:47 Uhr

Am 23. Mai wird das Grundgesetz 75 Jahre alt. Wie blicken Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte auf die deutsche Verfassung? Was liegt ihnen besonders am Herzen?

von Konstanze Nastarowitz

"Ich weiß selber noch nicht ganz, was Demokratie für mich bedeutet. Ich habe noch keinen deutschen Pass und deswegen konnte ich noch nicht wählen", sagt der Journalist Hussam Al Zaher. Er hat das "kohero"-Magazin in Hamburg gegründet - eine Medien-Plattform für Menschen mit Migrationshintergrund oder Fluchterfahrung. Wählen kann Hussam Al Zaher zwar noch nicht, aber angekommen ist er längst: Der Journalist floh 2015 aus Syrien nach Deutschland. Das demokratische System Deutschlands kannte er damals bereits aus Kursen an der Universität in Syrien.

Der Journalist Hussam Al Zaher, Gründer des "Kohero"-Magazins. © NDR
Der Journalist Hussam Al Zaher flüchtete 2015 aus Syrien und gründete das "Kohero"-Magazin.

Aber sein neues Heimatland suchte er sich nicht primär nach der Staatsform aus. Für ihn war damals erst mal wichtig: irgendwo sicher sein. Doch im zweiten Schritt lernte Hussam Al Zaher das Grundgesetz und die Demokratie hier in der neuen Heimat mehr und mehr zu schätzen. Als Journalist bedeutet ihm vor allem die Meinungsfreiheit viel, beispielsweise dass man Kritik äußern kann. "Ich glaube, von den unterschiedlichen Perspektiven und unterschiedlichen Meinungen lebt am Ende die Gesellschaft", sagt er.

Das "kohero"-Magazin liegt in einer Redaktion in Hamburg auf dem Tisch. © NDR
AUDIO: Wie schauen Migranten und Migrantinnen auf unsere Demokratie? (6 Min)

Magazin sieht sich als gesellschaftliche Brücke

Neue Perspektiven bringt Hussam Al Zaher auch nach Deutschland: Er hat ein journalistisches Projekt gegründet. Ein Magazin für interkulturellen Zusammenhalt: "Wir sehen uns als Brücke zwischen Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte und der deutschen Gesellschaft."

Früher hieß das Magazin noch "Flüchtling", heute "kohero" - auf der Kunstsprache Esperanto bedeutet das so viel wie "Zusammenhalt". Die Redaktion will Menschen, die nach Deutschland eingewandert sind, in der Öffentlichkeit sichtbarer machen. In den Büroräumen im Hamburger Grindel-Viertel findet die Redaktionssitzung statt.

Sarah Zaheer © NDR
Sarah Zaheers Eltern kamen in den 90er-Jahren aus Pakistan nach Deutschland.

Mit am Tisch sitzt auch die 27-jährige Sarah Zaheer. Ihre Eltern kamen in den 90er-Jahren aus Pakistan nach Deutschland. Wenn sie an die Demokratie denkt, dann denkt sie an das Thema Wahlen. Daran, wer überhaupt daran teilnehmen oder politisch aktiv werden kann - und dass das nicht alle Menschen können, die in Deutschland leben. "Ich finde, da könnte man schon nachbessern, dass sich mehr Menschen beteiligen können", sagt sie.

Artikel 1 des Grundgesetzes besonders wichtig

Der Artikel 1 des Grundgesetzes ist ihr besonders wichtig: Die Würde des Menschen ist unantastbar. "Für mich bedeutet das, dass Menschen, die fliehen, auch immer als Menschen angesehen werden. Häufig wird in der Öffentlichkeit über Flucht und Migration so gesprochen, als wären das keine Menschen, sondern irgendwie Dinge, die man auch einfach so hin- und herschieben kann und die man auch abgrenzen und abweisen kann."

Grundgesetz gibt Geflüchteten Sicherheit

Das Grundgesetz ist aber in den Redaktionsräumen beim "kohero"-Magazin nicht nur ein theoretisches Konzept. Anlässlich des 70-jährigen Jubiläums widmeten die Journalistinnen und Journalisten der deutschen Verfassung sogar eine ganze Ausgabe. "Das Grundgesetz ist auch sehr wichtig für die neuen Geflüchtete oder für die neu angekommenen Menschen. Sie schätzen dieses Grundgesetz sehr, weil viele von ihnen in anderen Systemen gelebt haben. Das Grundgesetz gibt ihnen Sicherheit", sagt Hussam Al Zaher.

Die Demokratie in Deutschland bedeutet dem Journalisten sehr viel: "Ich glaube an die Demokratie und ich finde, dass die Demokratie die beste menschliche Lösung ist, die gibt - dass die Leute in Freiheit leben, ihre Perspektiven austauschen und sich miteinander entwickeln können." Vielleicht kann er sich irgendwann ja auch mit seiner Stimme an der Wahlurne nochmal ganz neu in die deutsche Demokratie einbringen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 16.05.2024 | 09:07 Uhr

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