Streit um "intelligente" Stromzähler
Wenn Tobias Schmidt und seine Freundin Anika Röpke morgens Licht, Fön und Wasserkocher anknipsen, sieht ihr Haushalt aus wie viele andere in Deutschland. Doch ein Blick auf den Laptop von Schmidt verrät: Das junge Paar lebt in einer Wohnung der Zukunft. Einmal auf einer Internetplattform seines Stromnetzbetreibers eingeloggt, sieht Schmidt sofort, wie viel Strom das gemeinsame Frühstück gekostet hat. Jede Aktion, die Strom verbraucht, wird registriert: "Man kann hier in der Tabelle in 15-Minuten-Abschnitten sehen, wann was passiert ist", sagt Schmidt. Dass seine Freundin am Morgen Kuchen gebacken hat, sieht er so am hohen Ausschlag in der Stromverbrauchskurve.
Das Tool ist mehr als nur Spielzeug. Der Stromnetzbetreiber von Tobias Schmidt - "Stromnetz Hamburg" - testet hier Stromzähler, die bald in allen Kellern die alten Drehscheibengeräte ersetzen sollen: digitale Messgeräte, sogenannte Smart-Meter. Verbunden mit einer Art Modem werden sie zu den sprichwörtlich "intelligenten" Stromzählern, die den Stromverbrauch des Kunden jede Viertelstunde an den Netzbetreiber weitermelden. Mit den im Rechenzentrum aufbereiteten Daten können Kunden wie Schmidt dann ihren Stromverbrauch genau überwachen.
Smart-Meter sollen Standard werden
Was kaum bekannt ist: Per Gesetz soll das, was bei den Schmidts noch ein Pilotprojekt ist, in Zukunft für alle Haushalte Standard werden. Das "Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende" steht kurz vor der zweiten Lesung im Bundestag. Schrittweise sollen digitale Messgeräte in allen Haushalten eingebaut werden. Die Zähler können dann jederzeit mit einem Sendegerät verbunden werden, das die Daten sammelt und verschickt. Für einige Stromabnehmer, zum Beispiel für größere Haushalte mit einem Verbrauch ab 6.000 Kilowattstunden, sollen die Sendegeräte sofort beim Einbau Pflicht werden. Hintergrund des geplanten Gesetzes sind die Folgen der Energiewende. Sonne und Wind liefern nur unregelmäßig Strom. Der Verbrauch soll deshalb stärker kontrolliert und gesteuert werden. Und dafür soll die digitale Technik gleich flächendeckend eingeführt werden.
Verbraucherschützer bezweifeln allerdings, dass dies für die Energiewende wirklich nötig ist. Um die Energiewende umzusetzen, bräuchten die Stromnetzbetreiber die Daten der normalen Verbraucher gar nicht, meint Holger Schneidewindt von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Umso mehr ärgert ihn, dass das Gesetz allen die Zähler vorschreiben will: "Wir haben nichts gegen Digitalisierung an sich. Nur wenn der Staat Zwang einsetzt und ich als Bürger überhaupt keine Option habe, zu sagen: 'Nein, will ich nicht' - da ist dann einfach Schluss". Denn schließlich kosten die neuen Geräte mehr als die alten. Auf mindestens 20 Euro pro Jahr steigen die Grundkosten für die Stromzähler. Das Geld sollen die Bürger, laut Bundesregierung, durch Stromsparen wieder reinholen können. Schließlich hätten sie ja, dank Digitalisierung, einen viel besseren Überblick. Doch Schneidewindt bezweifelt, dass ein normaler Haushalt wirklich so viel sparen kann: "Wenn man einen ineffizienten Kühlschrank oder einen stromfressenden Trockner austauscht, hat man sein Einsparpotential meistens schon gehoben."
Dritte könnten auf die Daten zugreifen
Auf Stromtarife, die besonders günstig sind, wenn viel Sonne scheint oder der Wind stark weht, müssen Verbraucher ebenfalls noch lange warten. Professor Werner Beba von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg erforscht gerade, wie die Daten von Stromerzeugern und Verbrauchern besser vernetzt werden können. Einen flächendeckenden Einbau von Smart-Metern hält er allerdings für verfrüht, denn die Forschung sei bislang vor allem mit Großverbrauchern beschäftig. Und Professor Beba sieht eine weitere Gefahr beim Smart-Meter für alle: "Wenn ich die Möglichkeit habe, mit einer App über mein Smartphone meine eigenen Verbrauchsdaten einzulesen und dann über das Internet, und das Internet ist nicht sicher, dann ist die Gefahr auch da, dass auch Dritte auf meine eigenen Daten zugreifen können."
In Forschungslaboren ist es sogar schon gelungen, am Energieverbrauch abzulesen, welche Fernsehsendung man gesehen hat. Deshalb warnt auch Verbraucherschützer Schneidewindt: "Es sind personenbezogene Daten. Das sind Daten, mit denen man was machen kann, weil sie die Lebensgewohnheiten darstellen."
Tobias Schmidt und seine Freundin teilen diese Sorgen nicht: "Das ist jetzt nicht so, als würde ich jemandem mein Tagebuch geben und der weiß damit meine persönlichen Gedanken", sagt Anika Röpke. Das junge Paar ist sogar offen für neue Geschäftsmodelle. Sollten Stromanbieter irgendwann für die Weitergabe der persönlichen Daten einen günstigeren Stromtarif anbieten, können die beiden sich durchaus vorstellen, ihre Daten zu teilen.