"Netzwerk Recherche": Jahreskonferenz beim NDR in Hamburg
Sie gilt als eines der wichtigsten Journalisten-Treffen in Deutschland: die Jahreskonferenz des "Netzwerks Recherche". Gastgeber ist der NDR in Hamburg. Am Freitag wurde der "Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen" verliehen, am Sonnabend der Negativpreis "Verschlossene Auster".
Die beiden Preisträgerinnen konnten nicht persönlich nach Hamburg kommen. Niloufar Hamedi und Elahe Mohammadi stehen nämlich im Iran vor einem Revolutionsgericht. Ihnen droht die Todesstrafe. Sie waren es, die der Welt über das Schicksal einer jungen Kurdin berichteten, die nach ihrer Verhaftung durch sogenannte Sittenwächter starb. Und die Berichte darüber haben bekanntlich politische Erschütterungen ausgelöst. Der iranische Journalist Omid Rezaee richtete sich in seiner Laudation an seine Kolleginnen: "Wir verleihen euch diesen Preis, um uns selbst daran zu erinnern, was Journalismus eigentlich ist, was Journalismus eigentlich kann."
Künstliche Intelligenz und Russland Themen der Konferenz
"Recherchen verändern" - so heißt schließlich auch das Motto der Jahreskonferenz vom "Netzwerk Recherche". Unter anderem geht es dort auch um die Folgen der Künstlichen Intelligenz für den Journalismus. Eine besondere Rolle spielte am Freitag auch die Berichterstattung über Russland und die Ukraine. Für westliche Korrespondentinnen und Korrespondenten sei es zunehmend gefährlicher, aus Russland zu berichten. Das zeigt der Fall des dort inhaftierten amerikanischen Journalisten Evan Gershkovich.
"Verschlossene Auster" geht an Verleger Friedrich
Am Sonnabend wurde der Negativpreis "Verschlossene Auster" vergeben. Er geht in diesem Jahr an Holger Friedrich, den Verleger der "Berliner Zeitung". Der 56-Jährige erhalte die Auszeichnung "für seinen erschreckenden und zerstörerischen Umgang mit dem journalistischen Informantenschutz", erklärte die Journalistenvereinigung. Als der frühere "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt im Frühjahr 2023 Friedrich interne Informationen anbot, kontaktierte Friedrich anschließend Reichelts früheren Arbeitgeber, den Axel-Springer-Verlag. Friedrich informierte Springer über den eigentlich vertraulichen Vorgang. Damit habe er den Quellenschutz gebrochen, eines der Grundprinzipien des Journalismus, argumentiert "Netzwerk Recherche" in der Begründung für die Auszeichnung.
"Gravierender Bruch des Quellenschutzes"
"Die 'Verschlossene Auster' verleihen wir normalerweise an Menschen, die Informationen zurückhalten", erklärte der Vorsitzende der Journalistenvereinigung, Daniel Drepper. Der Bruch des Quellenschutzes durch Holger Friedrich sei jedoch so gravierend, dass das "Netzwerk Recherche" in diesem Jahr eine Ausnahme mache und den Verleger mit dem Negativpreis auszeichne. Friedrich habe mit diesem Verhalten nicht nur seinen Kolleginnen und Kollegen bei der "Berliner Zeitung", sondern allen Journalistinnen und Journalisten in Deutschland geschadet, da er das Vertrauen von Informantinnen und Informanten in die Presse erschüttert habe, erklärte "Netzwerk Recherche". Dieser Vertrauensbruch könne Menschen in Zukunft davor zurückschrecken lassen, ihre Informationen mit Reporterinnen und Reportern zu teilen.
Das "Netzwerk Recherche" vergibt die "Verschlossene Auster" seit 2002 an die oder den "Informationsblockierer des Jahres". Die Journalistenvereinigung hat nach eigenen Angaben mehr als 1.100 Mitglieder. Ihr Ziel ist es, einen aufklärerischen und investigativen Journalismus zu fördern.