Leben im Container: Wie Flüchtlinge wohnen
Die Habseligkeiten von Rauda Alissa und ihren drei Kindern passen in wenige Plastiktüten. Im vergangenen Sommer ist die Mutter mit ihren Kindern aus Syrien nach Hamburg geflüchtet. Zu gefährlich wurde das Leben für sie in Damaskus. Ihr Mann wurde erschossen, auch ihre älteste Tochter fast von einer Kugel getroffen. In Deutschland hofften sie mit ihren Kindern auf ein Leben in Frieden und Sicherheit.
Seit mehr als drei Monaten lebt die Familie in der Zentralen Erstunterkunft in Harburg, gemeinsam mit 640 anderen Flüchtlingen. In Damaskus bewohnte die Familie ein Haus, in Hamburg teilen sich die vier einen Container. "Wir sind das nicht gewohnt, so zu leben", sagt Rauda Alissa. "Das Leben hier hat mich verändert, ich bin so müde geworden, in wenigen Monaten bin ich um Jahre gealtert."
Eigentlich keine dauerhafte Unterbringung
Eigentlich sollten Flüchtlinge in Erstauffanglagern wie in Harburg maximal drei Monate ausharren, doch noch immer fehlen genügend dauerhafte Unterbringungsmöglichkeiten. Eine fatale Situation, vor allem für die Kinder. Denn erst wenn ihr Aufenthaltsstatus endgültig geklärt und eine dauerhafte Unterbringung organisiert ist, können sie offiziell eine Schule besuchen. Doch bis dahin können Monate vergehen. Rauda Alissas Kinder sind alle in einem schulpflichtigen Alter. Eine Lerngruppe besucht derzeit nur der 13-jährige Raduan. Eine Stunde am Tag lernt er Deutsch. Zu wenig, wie er findet: "In dem Kurs lernen wir so gut wie nichts. Wir lernen Wörter wie Mund, Augen und Nase, dann gehen wir Fußball spielen." Die beiden jüngeren Geschwister sollen erst nach Weihnachten eine Lerngruppe besuchen dürfen, warum, versteht Rauda Alissa nicht. "Ich fragte, warum die Kinder nicht zur Schule können und man sagte mir, vorher seien keine Plätze vorhanden."
Kampf gegen die Langeweile
Laut Schulbehörde gibt es in den Zentralen Erstaufnahmestellen keine Wartezeiten für schulpflichtige Kinder: "Eltern werden bei Aufnahme in eine Zentrale Erstaufnahmestelle auf die dortige Beschulung hingewiesen und die Kinder sofort in eine altersentsprechende Lerngruppe aufgenommen", teilt uns die Behörde im Oktober mit. Die Kinder von Rauda Alissa kämpfen derweil gegen die Langeweile in der Erstunterkunft. "Dieser Ort hier ist kein guter Ort für Kinder", klagt Alissa. "Die brauchen ein Zuhause, eine Schule, in der sie lernen können, sodass wir Eltern das Gefühl haben, dass ihre Zukunft nicht verloren gegangen ist."
Vehemente Proteste gegen Flüchtlingsunterkunft
Ihre größte Hoffnung ist, dass sie bald in eine Folgeunterkunft umziehen können. Doch der Platz dafür ist knapp. Rund 4.600 Menschen leben zurzeit in Hamburgs Notunterkünften. Und jeden Monat kommen rund 700 neue Flüchtlinge nach Hamburg und stellen die Stadt vor eine Herausforderung.
Im Auftrag der Sozialbehörde sucht Christiane Kreipe nach leer stehenden Gebäuden, die als Unterkunft dienen können oder Flächen, auf denen Containerdörfer gebaut werden können. Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen wird jeder infrage kommende Platz dringend gebraucht.
Auch im Nobelstadtteil Harvestehude sollen im nächsten Frühjahr 220 Flüchtlinge einziehen. Das ehemalige Kreiswehrersatzamt wird derzeit zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebaut. Noch vor wenigen Monaten gab es vehemente Proteste gegen den geplanten Umbau. Anwohner fürchteten um ihre Sicherheit und den Verfall ihrer Grundstückspreise. Drei von ihnen klagen vor dem Hamburger Verwaltungsgericht. Gebaut wird trotzdem.
Wunsch nach den eigenen vier Wänden
"Wir sind rechtlich in der Situation, dass wir das dürfen. Daher bauen wir auch", sagt Christiane Kreipe. "Wir hatten eigentlich geplant, die Einrichtung schon Ende dieses Jahres zu eröffnen. Damit sind wir jetzt schon im Verzug. Also müssen wir wirklich ran, wir müssen sehen, dass wir die Menschen auch unterbringen. Harvestehude ist ein gesunder Stadtteil und ich glaub dieser Stadtteil kann sehr gut Menschen verkraften, denen es nicht so gut geht."
Wann Rauda Alissa mit ihren Kindern endlich in eine dauerhafte Unterkunft wie jene in Harvestehude ziehen kann, weiß sie nicht. Ihr größter Wunsch ist der nach eigenen vier Wänden. "Hier im Container haben die Kinder keine Zukunft. Es ist nicht möglich in diesem Heim ein geordnetes Leben zu führen."