Kommentar: Genug Hilfe für den psychisch auffälligen 14-Jährigen?
Seit einer Woche beschäftigt ein 14-jähriger Junge die Öffentlichkeit. Sieben Monate saß er wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags in Untersuchungshaft. Die Gewaltphantasien des Jungen anderen Kindern gegenüber sind unbestritten. Das belegt ein psychiatrisches Gutachten. Doch bei der konkreten Tat blieben Zweifel - jedenfalls so viele, dass es nicht reichte, ihn jahrelang in Jugendhaft zu schicken. Also wurde er freigesprochen. Ein Kommentar von Andrea Luksch.
Seitdem er raus ist aus dem Jugendgefängnis, spricht die ganze Stadt über den 14-Jährigen. Jeden Tag kommen neue Details an die Öffentlichkeit, die Polizei überwacht den Jungen auf Schritt und Tritt, Eltern anderer Kinder machen sich Sorgen. Denn der Junge ist außerhalb seiner Einrichtung unterwegs. Und soll trotz ständiger Polizeiüberwachung wieder Kinder angesprochen und beobachtet haben. Da ist die Opposition in der Bürgerschaft schon mal schnell dabei und spricht von einer tickenden Zeitbombe.
Kein neues Monsterkind kreieren
Keine Frage: Bei dem 14-Jährigen handelt es sich um einen psychisch auffälligen Jungen mit Gewaltfantasien. Und in der Untersuchungshaft soll er Körperverletzungen begangen haben. Doch ich meine: Statt in der Öffentlichkeit ein neues Monsterkind zu kreieren, ist Zurückhaltung geboten. Der Junge braucht besondere Hilfe und Therapieangebote. Kein Mensch kommt böse und gewalttätig auf die Welt. Der 14-Jährige hat eine lange Leidensgeschichte hinter sich. War schon als Kleinkind psychisch auffällig. Wurde von seiner Familie getrennt. Ist seit vielen Jahren in der Obhut der Behörden.
Warum Haft statt einer psychiatrischen Klinik?
Ich frage mich: Warum ist der Junge nach der mutmaßlichen Strangulierung eines Gleichaltrigen im Sommer letzten Jahres nicht in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden? Stattdessen wurde er mit 14 Jahren als mutmaßlicher Straftäter eingestuft und im Gefängnis untergebracht. Hat er die nötigen therapeutischen Hilfen bekommen?
Eine öffentliche Debatte hilft nicht
Die zuständige Sozialbehörde steckt im Dilemma, kann sich nicht zum Einzelfall äußern, unterliegt dem Datenschutz. Hamburg hat seit 15 Jahren ein gutes Konzept für junge Intensivtäterinnen und Intensivtäter. Von der Öffentlichkeit unbemerkt beraten alle beteiligten Behörden in sogenannten Fallkonferenzen gemeinsam über Lösungen. So wird es hoffentlich auch hier gewesen sein. Eine öffentliche Debatte hilft da nicht. Denn wenn Angst geschürt wird und jeden Tag neue Schreckensszenarien in der Zeitung zu lesen sind, werden sich die sozialen Träger nicht um den Jungen reißen. Der aber braucht dringend einen geschützten Ort, an dem ihm geholfen werden kann.