Kampf in der AfD
Gerade einmal drei Monate ist die große Party her: Mit 6,1 Prozent triumphiert die "Alternative für Deutschland" (AfD) bei der Hamburger Bürgerschaftswahl. Zum ersten Mal gelingt der jungen Partei der Einzug in ein westdeutsches Landesparlament. "Wir haben uns vor allem vorgenommen zu zeigen, dass wir eine seriöse, konstruktive Partei sind. Das ist uns ja gelegentlich abgesprochen worden", jubelt der stolze Hamburger Parteichef Jörn Kruse am 15. Februar.
Für kein böses Wort zu schade
Und tatsächlich: Die AfD macht Furore mit einem heftigen politischen Kampf - wenn auch nicht eben seriös und konstruktiv, sondern eher in eigener Sache. So wie sich auf Bundesebene die beiden Spitzen Bernd Lucke und Frauke Petry für kein böses Wort zu schade sind, ist auch im Hamburger Landesverband ordentlich Stimmung. Die beiden Streithähne sind Dirk Nockemann, AfD-Vize und in Hamburg bekannt als versierter Rechtsausleger: Nockemann war vor Jahren schon mal ein paar Monate Innensenator für die Schill-Partei. Und sein Widersacher ist Jörn Kruse, der nicht nur Landeschef ist, sondern mittlerweile auch der Fraktion vorsteht.
Die Konfliktlinien sind identisch mit denen auf der großen Bühne: Kruse, der besonnene und sachliche ehemalige Universitätsprofessor, gehört zum bürgerlich-liberalen Flügel der Partei. Nockemann, der Polit-Berserker, führt die rechts-konservativen Law-and-Order-Kämpen im Hamburger Landesverband an. Beide könnten gegensätzlicher nicht sein.
"Auch einmal Attacke reiten"
"Wir sind ja von den Bürgern nicht mit dem Auftrag gewählt worden, den Bürgermeister permanent zu loben, sondern politisch Klartext zu reden. Und hier würde ich mir wünschen, dass Herr Professor Kruse auch einmal Attacke reitet", meckert Nockemann empört - und öffentlich. "Wir haben eine unterschiedliche Vorstellung, wie man Opposition machen sollte, und Herr Nockemann spielt eher den einen Part, der wo ein bisschen mehr kräftig draufhaut", gibt Kruse zurück, natürlich ganz nüchtern - aber auch öffentlich.
Wer hört auf Luckes "Weckruf"?
Jetzt gibt es neuen Zündstoff: den „Weckruf 2015“. Parteigründer Bernd Lucke will mit seinem Pamphlet angeblich die zerstrittene Partei zu einen. Tatsächlich liest sich sein "Weckruf" wie eine Drohung: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Es scheint, als arbeite Lucke sozusagen an einer "AfAfD", einer Alternative für die "Alternative für Deutschland". Dirk Nockemann jedenfalls ist entsetzt: "Ich empfinde das als eine politische Provokation, ja geradezu als eine politische Bankrotterklärung von Herrn Lucke." Doch wer hat Luckes "Weckruf" als treuer Parteifreund auch unterschrieben? Klar, natürlich Jörn Kruse.
Wenn der eine A sagt, sagt der andere B. Trotzdem, beteuern beide, werden sie weiter zusammenarbeiten. "Wir werden weiter eine Fraktion bilden, darauf geb ich Ihnen Brief und Siegel", sagt Nockemann. Und ausnahmsweise einmütig pflichtet Kruse bei: "Ich bin eher der verbindlichere, seriösere, bürgerliche Typ. Und aus der Summe von allen ergibt sich die Fraktion.“ Reicht dieser sehr kleine gemeinsame Nenner tatsächlich aus, um die acht AfDler in der Bürgerschaft zusammenzuhalten?