Blick auf die Übergabestelle der Fernwärme in das Fernwärmenetz der Stadt. © Christian Charisius/dpa Foto: Christian Charisius
Blick auf die Übergabestelle der Fernwärme in das Fernwärmenetz der Stadt. © Christian Charisius/dpa Foto: Christian Charisius
Blick auf die Übergabestelle der Fernwärme in das Fernwärmenetz der Stadt. © Christian Charisius/dpa Foto: Christian Charisius
AUDIO: Einzelhausbesitzer in Hamburg von Fernwärme abgeschnitten? (4 Min)

Fernwärme in Hamburg: Mehrfamilienhäuser profitieren zuerst

Stand: 21.06.2023 23:00 Uhr

Bis 2030 soll in Hamburg Fernwärme ohne Kohle erzeugt werden. Doch viele Bürgerinnen und Bürger wissen nicht, wann und ob sie an das Fernwärmenetz angeschlossen werden können.

von Julia Wacket und Clea Schnitzlein

Die Stadt Hamburg will das Fernwärmenetz rapide ausbauen. Vor allem soll es mit überwiegend "grüner", also nachhaltig erzeugter, Fernwärme betrieben werden. Dafür wird eine acht Kilometer lange Leitung vom Hafen in nördlichere Stadtteile gelegt. Doch wer profitiert davon?

Torsten Flomm wohnt in einem Einfamilienhaus im Hamburger Stadtteil Alsterdorf. Er ist Vorsitzender des Grundeigentümerverbandes in der Hansestadt und würde gerne vom Ausbau der Fernwärmeleitungen profitieren. Seine Gasheizung ist fünf Jahre alt, geht sie kaputt, muss schnell eine ökologische Variante her.

VIDEO: Hamburgs Fernwärmepläne sorgen für Verunsicherung bei Bürgern (2 Min)

Der Trend geht Richtung Wärmepumpe, aber diese Lösung überzeugt ihn noch nicht ganz: "Der Hauptgrund, warum wir hier Fernwärme wollen, ist, weil wir uns nicht vorstellen können, dass wir hier neben jedem Haus eine Wärmepumpe stehen haben. Wenn sich am Ende herausstellt, dass 300 Wärmepumpen günstiger werden als Fernwärme für 300 Einheiten, dann wird es am Ende die Wärmepumpe werden. Aber grundsätzlich stellen wir uns vor, dass Fernwärme für uns hier die sinnvollste Lösung wäre, da haben wir uns mit Experten besprochen, die das ähnlich sehen."

Wärmekataster zeigt Versorgungsgebiete

Derzeit liegt Flomm mit seinem Haus genau an der Grenze der Fernwärmeversorgung. Welche Stadtbezirke aktuell mit Fernwärme versorgt werden können, ist online im sogenannten Wärmekataster zu sehen. Doch welche Verdichtungsgebiete noch geplant sind, steht erst Ende 2024 fest. Nur eine Sache ist jetzt schon klar: Zuerst sind die Mehrfamilienhäuser dran, Einfamilienhäuser müssen warten, erklärt der Geschäftsführer der Hamburger Energiewerke Christian Heine: "Wir gehen nach der Wesentlichkeit vor: Die größten Anschlussobjekte zu 'defossilisieren' und an das Fernwärmenetz anzuschließen, heißt auch, den größten Klimaeffekt zu haben."

In Wedel soll eine Wind-zu-Wärme Anlage entstehen

Denn Hamburg hat hohe Klimaschutzziele: keine Wärme aus Kohleverbrennung bis 2030. Dafür sollen die zwei alten Kohlekraftwerke endgültig abgeschaltet werden. Das Kohlekraftwerk im benachbarten Wedel in Schleswig-Holstein wird voraussichtlich bis 2026 vom Netz gehen. Stattdessen ist geplant, hier "grüne" Fernwärme aus einer Wind-zu-Wärme Anlage zu gewinnen.

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Die Anlage wandelt überschüssigen Wind in Fernwärme zum Heizen um - und soll 27.000 Hamburger Haushalte mit grüner Fernwärme versorgen. Außerdem soll ein "Energiepark Hafen" das alte Kohlekraftwerk ersetzen und ebenfalls Fernwärme liefern, erläutert Geschäftsführer Heine weiter: "Wir haben uns bewusst dafür entschieden, in den Hafen zu gehen und dort alle industriellen Abwärmen 'einzusammeln'. Hier beginnt der Tunnel unter der Elbe, führt die Fernwärme durch die Elbe durch in den Nordteil der Stadt, wo wir die Fernwärme anschließen."

Geplante unterirdische Fernwärmeleitung endet in Bahrenfeld

Größtenteils wird die neue, acht kilometerlange Leitung aus einem unterirdischen Tunnel mit Vor- und Rücklauf bestehen. Sie wird durch Othmarschen laufen, über Groß Flottbek gehen und in Bahrenfeld enden.

Anke Frieling, stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion, beklagt, dass viele Anwohner dort trotzdem nicht wüssten, ob und ab wann sie von der Fernwärme profitieren könnten: "In der Parkstraße, wo die Leitung laufen wird, ist die Frage besonders dringend. Man hat das Gefühl: 'Oh, ich sitze hier an der Leitung. Kann ich mich nicht direkt anschließen?' Nein, können sie nicht, weil es technisch nicht möglich ist, aber auf Senatsseite heißt es: Wir prüfen, ob es noch möglich gemacht werden kann. Man weiß nicht, woran man ist."

Anschlüsse an Gebäude sind teuer

Es sei technisch zu aufwendig und halte das laufende Projekt zu sehr auf, erwidert Heine. Ein Anschluss eines Mehrfamilienhauses sei ähnlich teuer wie der eines Einfamilienhauses. Deshalb hätten große Wohneinheiten Vorrang.

Auch Torsten Flomm aus Alsterdorf kennt diese Argumente. Trotzdem gibt er nicht auf und kämpft weiter für seinen "grünen" Fernwärmeanschluss: "Wir werden es weiter versuchen, ob das am Ende klappt, wissen wir nicht. Wir sind erst am Anfang der Diskussion."

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Aktuell | 22.06.2023 | 09:35 Uhr

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