Die Gefahr von Handys am Steuer
Unterwegs im Auto, das Handy summt, eine neue SMS. Doch wer am Steuer sitzt, darf die SMS nicht lesen oder gar beantworten. Das Gesetz verbietet es. Allerdings scheint das viele Fahrer kaum zu stören: Im vergangenen Jahr registrierte das Kraftfahrtbundesamt mehr als 390.000 Verstöße deutschlandweit. Die Dunkelziffer dazu ist noch viel höher, vermuten Experten.
Wie viele Fahrer tatsächlich tippen oder telefonieren - das wollen ehrenamtliche Helfer des Autoclub Europa (ACE) herausfinden. Sie haben in der vergangenen Woche begonnen, in verschiedenen deutschen Städten den Verkehr zu beobachten. Im Herbst wollen sie ihre Ergebnisse veröffentlichen.
"Kinder im Auto, Frau telefonierend"
Panorama 3 war bei einer der ersten Beobachtungen dabei: "LKW tippend, in einer Hand das Handy, in einer anderen eine Kaffeekanne. Frau, PKW, tippend". Frank Stawitzki beobachtet den Verkehr an den Hamburger Elbbrücken. Immer wieder sieht er, wie die Fahrzeuglenker an ihm vorbeifahren und telefonieren oder auf ihrem Handy tippen. "Kinder im Auto, Frau munter telefonierend - das ist ja unfassbar", ruft er.
Handy? Wie betrunken am Steuer
Das Handy am Steuer ist verboten - aus gutem Grund: Fahrer, die ihr Handy benutzen, sind abgelenkt. Studien belegen sogar: Wer telefoniert, fährt, als hätte er 0,7 Promille im Blut. Wer auf dem Handy tippt, fährt, als hätte er rund 1,3 Promille. Mark Vollrath, Professor für Verkehrspsychologie an der Technischen Universität in Braunschweig zeigt uns im Fahrsimulator, was bei der Handynutzung während der Fahrt passiert: Unsere Testperson schaut auf ihr Handy und nicht mehr auf die Fahrbahn: Es geht im Blindflug über die Autobahn.
Mit dem Handy verliere man den Überblick und damit auch die Kontrolle über sein Fahrzeug, erklärt Vollrath. Er ist sich sicher: Das Handy am Steuer steigert das Unfallrisiko. Vollrath fordert daher, dass Handy am Steuer konsequent auszuschalten. Besonders gefährdet seien junge Fahrer, sagt der Professor.
Ablenkung am Steuer
Das belegt auch eine aktuelle Studie der Universität Iowa. Von 2007 bis 2013 wurden Fahranfänger in den USA im Auto mit Kamera und Mikrofon ausgestattet: Die Studie zeigt, dass die zweithäufigste Ablenkung am Steuer das Handy ist. Bei Fahrern, die alleine unterwegs sind, sogar die häufigste Ablenkungsursache. Die Fahrer waren im Schnitt 4,1 Sekunden durch das Handy abgelenkt - und damit im Blindflug unterwegs, wie ein Video der Wissenschaftler um Daniel McGehee eindrucksvoll zeigt. Ihre Studie kommt zu dem Ergebnis, dass zwölf Prozent der Unfälle aufgrund der Handyablenkung passiert sind.
In Deutschland ist der Zusammenhang zwischen Handynutzung am Steuer und Unfällen im Verkehr bislang noch nicht mit Zahlen zu belegen. Ablenkung oder gar Handynutzung als Unfallursache tauchen in keiner amtlichen Statistik auf.
Polizei: Aufklärung durch Flyer
Verkehrssicherheitsberater Hans-Peter Schütte von der Polizei Hannover erklärt gegenüber Panorama 3, sie würden das Handy nur auslesen, wenn es freiwillig ausgehändigt würde. Die Polizei versucht indes, mit Aufklärungsmaterial auf die Gefahren aufmerksam zu machen. Doch Appelle ans Gewissen allein würden kaum etwas bringen, so Mark Vollrath. Er fordert deswegen, den Verfolgungsdruck zu erhöhen. Könnte die Polizei auf die Daten auf den Handys zugreifen, wäre die Beweisführung klar.
Das Bundesjustizministerium teilt auf Nachfrage mit, es plane diesbezüglich keine gesetzlichen Änderungen. Zwar könnten Handys bereits jetzt zur Aufklärung von Straftaten sicher gestellt werden. Doch selbst von dieser Möglichkeit wird in der Praxis nach schweren Verkehrsunfällen kaum Gebrauch gemacht. Wohl auch deshalb wird das Handy munter weiter im Auto benutzt.
Die Verkehrsbeobachter des Autoclub Europa haben schon bei ihrer ersten Zählung in Hamburg innerhalb von zwei Stunden 176 telefonierende und 105 Fahrer auf dem Handy tippend beobachtet. "So viele hätte ich vorher nicht erwartet. Wenn man das auf den ganzen Tag hochrechnet, dann sind das vermutlich einige Tausend. Tickende Zeitbomben - potentielle Sach- und Personenschäden", sagt Stawitzki. Während er spricht, fährt wieder ein Autofahrer vorbei, der tippt.