Cannabis: Hamburgs Innensenator gegen Freigabe-Pläne aus Berlin

Stand: 16.08.2023 19:43 Uhr

Die Bundesregierung hat am Mittwoch die begrenzte Cannabis-Legalisierung in Deutschland auf den Weg gebracht. Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) lehnt das Vorhaben klar ab.

Das Bundeskabinett beschloss in Berlin einen Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), wonach Erwachsenen der Besitz und Anbau von Cannabis in begrenztem Umfang erlaubt werden soll. "Wenn wir irgendetwas jetzt nicht brauchen, dann ist es dieses Gesetz", sagte Grote NDR 90,3. "Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass mit der Legalisierung der Konsum deutlich zunimmt - mit allen Risiken und Nebenwirkungen."

Andy Grote (SPD), Innensenator von Hamburg, nimmt an einer Pressekonferenz nach dem Abschluss der Innenministerkonferenz (IMK) teil. © picture alliance/dpa | Jörg Carstensen Foto: Jörg Carstensen
AUDIO: Cannabis-Legalisierung: Widerspruch im Hamburger Rathaus (1 Min)

"Schwarz- und Legalmarkt vermischen sich"

Dass die Freigabe von Cannabis den Schwarzmarkt eindämmt, hält der Hamburger Innensenator für unwahrscheinlich. "Es ist zu befürchten, dass illegales Cannabis aufgrund höherer Wirkungsgrade und günstiger Preise stark nachgefragt wird und sich Schwarz- und Legalmarkt hier vermischen", sagte Grote.

Weitere Informationen
Ein Cannabis-Konsument zündet sich einen Joint an © Colourbox Foto: Syda Productions

Begrenzte Legalisierung von Cannabis: Die Pläne der Bundesregierung

Der Gesetzentwurf hat 184 Seiten. Was ist geplant? Und warum ist es so kompliziert? tagesschau.de berichtet. extern

Grote befürchtet neue "Überwachungsbürokratie"

Zudem würden die in den Legalisierungs-Plänen vorgesehenen detaillierten Vorgaben zu Wirkungsgrad, erlaubten Mengen, Konsumorten und Produktionsstätten "eine umfangreiche Cannabis-Überwachungsbürokratie" erfordern. Auf die Polizei würde ein erheblicher neuer Kontrollaufwand zukommen. "Wir befürchten, dass mit diesem Gesetzentwurf gerade keine Entlastung der Sicherheitsbehörden eintritt, sondern der illegale Markt weiter sehr attraktiv bleibt", sagte Grote am Mittwoch. Er halte den Weg, der jetzt beschritten wird, für "hochproblematisch".

Polizeigewerkschaften haben Bedenken

Grote liegt damit ganz auf der Linie der Polizeigewerkschaften - auch sie hatten sich immer wieder vehement gegen die Legalisierungspläne ausgesprochen. Anders übrigens als der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert - ebenfalls SPD. Er hatte schon vor Monaten bei einem Besuch in Hamburg gesagt: "Wir brauchen eine offene und aufrichtige Debatte über Cannabis." Alte Denkmuster würden nicht weiterhelfen.

CDU und AfD in Hamburg gegen Cannabis-Legalisierung

Auch CDU und AfD in der Hamburgischen Bürgerschaft sprachen sich gegen die Pläne der Berliner Ampel aus. CDU-Fraktionschef Dennis Thering forderte einen Stopp der Legalisierung. "Die Drogenexperimente der Ampel-Bundesregierung sind höchstgefährlich." Mit einer Legalisierung würden Konsum und damit auch die gesundheitsschädlichen Folgen für viele Betroffene ansteigen. AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann sprach von einer "naiven linksgrünen" Drogenpolitik. Der Schwarzmarkt werde sich dadurch nicht in Luft auflösen.

FDP unterstützt Gesetzentwurf der Ampel

Die stellvertretende FDP-Landesvorsitzende Ria Schröder sprach sich für eine Legalisierung aus. Entscheidend sei die Art und Weise des Konsums. "Ich habe kein Problem damit, wenn aufgeklärte erwachsene Menschen verantwortungsvoll Cannabis konsumieren. Wir müssen aber Kinder und Jugendliche vor den Gefahren schützen und Drogenabhängigen aus der Sucht heraushelfen, statt sie zu kriminalisieren." Die Legalisierung leiste hierzu einen wichtigen Beitrag.

UKE-Suchtmediziner warnt vor Legalisierung

Der Suchtmediziner und Kinder- und Jugendpsychiater Rainer Thomasius vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) warnte derweil vor den Gefahren eines regelmäßigen Cannabis-Konsums. "Der regelmäßige Konsum ist es, der die Folgeschäden mit sich bringt", sagte er. "Das sind Psychosen, Angststörungen, kognitive und depressive Störungen und vor allen Dingen die Störungen der Gehirnreifung bei Jugendlichen." Das Paradigma müsse daher sein: "Kein Cannabis-Gebrauch im Jugendalter. Und dies wird durch eine Legalisierung konterkariert."

Keine völlige Freigabe geplant

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, Cannabis im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen zu streichen. Ab 18 Jahren soll künftig der Besitz von 25 Gramm erlaubt sein. Privat sollen maximal drei Cannabis-Pflanzen angebaut werden dürfen. In speziellen Vereinen, sogenannten Cannabis-Clubs, sollen Mitglieder die Droge gemeinschaftlich anbauen und gegenseitig abgeben dürfen.

Weitere Informationen
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nach einer Sitzung des Bundeskabinetts, im Hintergrund Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) © Kay Nietfeld/dpa Foto: Kay Nietfeld/dpa

Kabinett billigt Cannabis-Legalisierung - Reaktionen aus dem Norden

Bundesgesundheitsminister Lauterbach sprach von einer "Wende in der Drogenpolitik". Es gibt viel Gegenwind für das geplante Gesetz. mehr

Cannabis in einem Plastiktütchen und auf einer Holzfläche. © Colourbox Foto: Nils Weymann

Cannabisgesetz: Welche Regeln gelten seit der Legalisierung?

Besitz und Erwerb von Cannabis sind unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Beim Autofahren gilt ein Grenzwert. mehr

Der Bundesdrogenbeauftragter Blienert spricht in die Kamera. © Screenshot

Besuch in Hamburg: Drogenbeauftragter will Kurskorrektur

In Hamburg starben im vergangenen Jahr 96 Menschen nach dem Konsum illegaler Drogen. (01.06.2023) mehr

Kristine Lütke, FDP © Kristine Lütke
6 Min

Legalisierung von Cannabis: "Erster Schritt in richtige Richtung"

Kristine Lütke (FDP) weist darauf hin, dass es neben dem Gesetz auch eine Präventions- und Aufklärungsstrategie geben soll. Allerdings brauche es insgesamt Nachbesserungen. 6 Min

Simone Borchardt (CDU) im Deutschen Bundestag in Berlin. © picture alliance / Flashpic Foto: Jens Krick
9 Min

Legalisierung von Cannabis: "Gesetzentwurf ist unausgegoren"

Die CDU-Politikerin Simone Borchardt weist darauf hin, dass in Ländern mit Cannabis-Legalisierung der Konsum der Droge bei Kindern und Jugendlichen stark zugenommen hat. 9 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | NDR 90,3 Aktuell | 16.08.2023 | 17:00 Uhr

Mehr Nachrichten aus Hamburg

Polizisten stehen vor einem Haus im Hamburger Stadtteil Ottensen, dessen Fassade eingestürzt ist. © picture alliance / dpa Foto: Bodo Marks

Eingestürzte Fassade in Ottensen: Kein Prozess nach Strafzahlung

Vor drei Jahren ist in Hamburg bei einer Explosion eine Fassade zerstört worden. Nun ist das Verfahren abgeschlossen - ohne Prozess. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?