Brosda: "Wir brauchen ein Störgefühl"
Das Bismarck-Denkmal am Hamburger Hafen und seine Sanierung sind zuletzt in die Kritik geraten. Der erste deutsche Reichskanzler gilt vielen als Wegbereiter des deutschen Kolonialismus. Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) erklärt im Interview mit NDR 90,3 Kulturjournal, wieso eine Ausstellung im Sockel des Denkmals allein nicht reiche, um diese Kritik aufzunehmen.
Herr Brosda, seit 1906 bewacht der Reichskanzler mit Schwert bewaffnet Hamburg und den Hafen mit strengem Blick elbabwärts. Gerade wird er für neun Millionen Euro saniert. Braucht Hamburg dieses Bismarck-Denkmal überhaupt noch?
Carsten Brosda: Der Bismarck steht da, und er ist insofern auch Teil unserer Geschichte. Die Frage ist, wie wir mit dieser Geschichte vernünftig umgehen und wie wir dafür sorgen können, dass wir ein Gefühl dafür bekommen, aus welcher Zeit er stammt. Ich glaube, keiner würde heute mehr ein Bismarck-Denkmal bauen. Aber da wir nun eines haben, geht es darum, darauf hinzuweisen, welche Zeit es repräsentiert und wie wir uns aus unserer Zeit dazu verhalten.
Im Architektursommer vor fünf Jahren war ein Steinbock auf diesem Kopf Bismarcks zu sehen - der wie auf einem Berg rumkraxelt. Wie könnte eine Bearbeitung oder Verfremdung aussehen?
Brosda: Es wäre nicht gut, wenn die Stadt das dekretiert. Von Anfang an war ja klar, dass es im Sockelgeschoss des Denkmals eine kommentierende Ausstellung geben soll. Wichtig ist aber, dass wir das durch etwas ergänzen, das im öffentlichen Raum einfach klarmacht, dass dieser Bismarck eine Geschichte hat und für eine autoritäre und koloniale Tradition steht, die aber Teil unserer Geschichte ist und zu der wir uns verhalten müssen.
Wie kann das aussehen?
Ob das mit Gegendenkmälern oder Installationen geschehen kann, müssen wir jetzt in einem gemeinsamen Prozess herausfinden. Ich hätte eine große Sympathie für einen künstlerischen Wettbewerb, der danach fragt, wie man das Denkmal konterkariert. Ob ich das am Bismarck oder mit ihm mache, müssen wir dann diskutieren. Ich finde die Diskussion richtig, denn die Zeit damals gestaltet in manchen Bereichen unser Leben bis heute. Das haben wir in den vergangenen Wochen gespürt. Insofern haben wir da etwas zu klären.
Wie geht es jetzt konkret weiter?
Brosda: Wir sind in der Behörde dabei, einen Beteiligungsprozess aufzusetzen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir im Herbst ein Symposium machen, um sich dort mit den verschiedenen Facetten des Themas zu befassen. Am Ende muss es darum gehen, wie wir das notwendige Störgefühl an dieser Stelle erzeugen, damit jeder, der an dem Denkmal vorbeigeht, nicht einfach ungerührt weitergeht, sondern weiß, dass es hier etwas gibt, womit er sich auseinandersetzen muss. Und das Ziel ist, dass wir es parallel zum Sanierungsprozess hinbekommen, dass wir dann nicht nur den sanierten Bismarck haben, sondern auch eine vernünftige Einordnung.
Das Gespräch führte Daniel Kaiser, NDR 90,3.