Azubi-Mangel in Hamburg: Ausbildung soll attraktiver werden
Die Zahl der Lehrstellen in Hamburg hat wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht, bei den Bewerberinnen und Bewerbern liegt sie jedoch noch weit darunter. Wie kann die Ausbildung attraktiver gemacht werden?
Sorgenvoll blickten Vertreterinnen und Vertreter von Arbeitsagentur, Arbeitgebern, Gewerkschaften, Handels- und Handwerkskammer sowie des Senats am Montag bei einem gemeinsamen Auftritt beim Schreibgerätehersteller Montblanc in die Zukunft. Alle appellierten eindringlich an Schulabgängerinnen und Schulabgänger eine duale Ausbildung in Erwägung zu ziehen.
Deutlich mehr Ausbildungsplätze als Bewerber
"Junge Menschen sollten mutig sein, Ausbildung macht Spaß, Ausbildung führt in ein sicheres Erwerbsverhältnis und es ist keine Sackgasse", sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD). Es sei leider nach wie vor nicht gelungen, mehr junge Menschen für eine Ausbildung zu begeistern, sagte der Chef der Hamburger Agentur für Arbeit, Sönke Fock. Hamburg biete mehr als 300 Ausbildungsberufe. "Dafür müssen wir offensichtlich noch stärker werben", sagte Fock. Nach Angaben der Arbeitsagentur waren bis Anfang April 8.641 Ausbildungsstellen gemeldet worden - 200 mehr als im März 2020. Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber lag jedoch nur bei 4.300. Das seien 1.677 weniger als vor Beginn der Corona-Pandemie.
Aust: "Die Wirtschaft macht sich große Sorgen"
Die meisten freien Ausbildungsplätze gab es Ende März für angehende Kaufleute im Einzelhandel, für Verkäuferinnen und Verkäufer, für Kaufleute im Büromanagement, für Handelsfachwirte sowie für Logistiker. "Die Wirtschaft macht sich große Sorgen", sagte Handelskammer-Präses Norbert Aust. Ohne die jungen Leute seien die Zukunftsaufgaben nicht zu lösen. Die Handelskammer arbeite bereits mit Speed-Datings, um junge Menschen für eine Ausbildung zu begeistern, mache bei der bundesweiten Kampagne "Können lernen" mit und wolle stärker in die Schulen gehen.
Fröhlich: "Duale Ausbildung etwas mehr sexy machen"
Der Präsident der Handwerkskammer, Hjalmar Stemmann, beklagte, dass die während der Corona-Pandemie fehlenden Praktika auf den Ausbildungsmarkt durchgeschlagen hätten. Der Hauptgeschäftsführer des Unternehmensverbands UVNord, Michael Fröhlich, sagte, die Firmen müssten ihre Hamburger Zurückhaltung ablegen und noch mehr für ihre Ausbildungsplätze werben, etwa darauf hinweisen, dass oft die Heimfahrten der Azubis oder der Führerschein bezahlt würden. "Wir müssen duale Ausbildung (...) etwas mehr sexy machen." Die Politik sowohl in Berlin als auch in Hamburg forderte Fröhlich auf, für Auszubildende bezahlbare Wohnmöglichkeiten zu schaffen. Gleichzeitig warnte er davor, den Mindestlohn zu weit anzuheben, weil sich sonst junge Leute animiert sehen könnten, ohne Ausbildung ins Arbeitsleben zu starten.
DGB-Chefin Chawla will mehr Frauen in technischen Berufen
Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Hamburg, Tanja Chawla, zeigte sich erfreut, dass die Zahl der Ausbildungsplätze steige, beklagte aber gleichzeitig, dass sich nach wie vor viele Unternehmen aus der Ausbildung zurückzögen. Um dem entgegenzuwirken, sei ein umlagefinanzierter Ausbildungsfonds nötig, "wo alle mit einzahlen, sodass die Ausbildungskosten gleichmäßig verteilt sind und sich da niemand übervorteilt fühlen muss". Wichtig sei auch, dass mehr Frauen in technische Berufe kommen, damit die sozial-ökologische Transformation nicht allein männlich werde.
Positives Beispiel Montblanc
Der 1906 in Hamburg gegründete Schreibgerätehersteller Montblanc beschäftigt weltweit rund 3.000 Menschen, 1.000 davon in der Hansestadt. "Wir sind froh und stolz, dass 96 Prozent unserer Auszubildenden am Ende auch bei Montblanc bleiben und hier arbeiten", sagte Personalchef Sascha Schneider. Für den August seien bereits alle 16 Lehrstellen besetzt, 30 Prozent von ihnen mit Frauen.