Mauerfall: "1989 bleibt für mich ein besonderes Jahr"
Mit Montagsdemos und Massenfluchten zwingen die DDR-Bürger ein Regime in die Knie. Am 9. November 1989 öffnen sich mit dem Mauerfall die Grenzen. Knapp ein Jahr später ist Deutschland wiedervereinigt.
1989 bleibt für mich ein besonderes Jahr. Erst Abitur, anschließend reise ich in die bröckelnde Sowjetunion, ein Jugendaustauschprogramm der Bundesrepublik. Und dann der Mauerfall. Ohne dieses Ereignis wäre ich später wohl nie nach Magdeburg gekommen. Hochzeit, Geburt der Kinder haben dort ihren Ort. Auch meine Ordination, die Einsegnung zum Pfarrer - 2004 im Magdeburger Dom gemeinsam mit vielen anderen. Das Besondere: Wir sind eine Generation, die im Herbst 1989 mit dem Theologiestudium begonnen hat. Die einen noch in der DDR, ich in der Bundesrepublik.
Auf die Ordination bereiten wir uns gemeinsam vor - auf der sogenannten Ordinandenrüste, eine Woche im Ostharz. Tagsüber diskutieren wir über Seelsorge, Amtskleidung, Pfarrhauspflicht. Abends erzählen wir einander unsere Glaubens- Biografie, den Weg ins Theologiestudium. Meiner beginnt in Hamburg. Er ist einer von vielen möglichen gewesen. Es hätte auch Kunst werden können oder Journalistik.
"Gefühl der Ohnmacht gegenüber der staatlichen Willkür"
Als die anderen erzählen, werde ich still, auch ein wenig beschämt. Ich höre, wie hart der real existierende Sozialismus sein konnte. Denn wer sich lieber in der Jungen Gemeinde ins Zeug legte als bei der FDJ, wer sich nicht für drei Jahre Wehrdienst bei der NVA verpflichten wollte, der konnte sein Abitur an der Erweiterten Oberschule (EOS) meist vergessen. Die Kirchen boten mit ihren Proseminaren und Hochschulen zwar exzellente Alternativen, aber es blieb ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber der staatlichen Willkür.
Besonders berührt hat mich die Geschichte einer Frau, die wie ich im Herbst 1989 ins Studium starten wollte. Als sie vom Mauerfall erzählt, stockt ihre Stimme. "Mit einem Mal stand alles offen. Ich hätte jetzt jeden Weg gehen können, den ich wollte. Aber vorher eben nicht." Tränen.
"Ich bin Teil dieser Generation 1989 aus Ost und West"
Wenige Wochen nach dieser Rüstzeit feiern wir unsere Ordination. Gemeinsam ziehen wir in den Magdeburger Dom ein, diesen beeindruckend schönen Kathedralbau: hell, strahlend, nahe der Elbe. Als ich zum Segen niederknie, bin ich tief bewegt. Ich nehme es als Geschenk, Teil dieser Pfarrgemeinschaft zu sein - dieser Generation 1989 aus Ost und West.