Kolumne: "Sieh mich an!"
Baby-Boomer, Generation Z, Hafermilch-Gesellschaft, Ossis oder alte weiße Männer: Jeder Mensch wird heute in eine Schublade oder Gruppe gesteckt. Dabei gilt schon in der Bibel: schau auf den einzelnen Menschen.
Es ist, wie es ist. Mit bald 60 bin auch ich ein alter weißer Mann. Eigentlich ist das völlig in Ordnung, weil ich mit meinem Leben, mit dem, was ich tue und vor allem den Menschen, die mich umgeben, sehr zufrieden bin. Nicht aber mit den Eigenschaften, die alten weißen Männern zugeschrieben werden. Ich bin nicht zornig, weil die Welt sich ändert und will alles so haben, wie es früher einmal war. Ich bin kein Rassist. Und Veränderungen finde ich erst einmal spannend und nicht bedrohlich. Ich schimpfe auch nicht über die Jugendlichen heute. Die, die ich kenne, sind richtig gute Typen.
Über Boomer und Generation Z wird selten positiv geredet
Zu irgendeiner Gruppe gehören wir alle. Aber über Gruppen wird selten positiv geredet. Wenn in Hamburg oder weiter westlich über "die" Ossis geredet wird, hört man wahrscheinlich keine Lobeshymne. Die Boomer-Generation hat das Klima kaputtgemacht, die Generation Z ist nicht leistungsbereit und Großstädter alles Woke-Spinner. Wirklich? Alle? Jede und jeder einzelne?
"Schau auf den einzelnen Menschen"
"Ich habe dich bei deinem Namen gerufen" ist ein Satz aus der Bibel. Gott geht es um jeden einzelnen Menschen. Dem können wir nacheifern. Daran muss ich aktuell auch denken, wenn über die große Zahl Geflüchteter geredet wird. Da ist sehr oft nur noch von Massen die Rede, vom Strom oder Wellen. Auch da gilt: schau auf den einzelnen Menschen. Vielleicht hörst du dann berührende Geschichten oder entdeckst so tolle Menschen wie die Jungs aus Syrien und Afghanistan in meinem Fußball-Team.
Geflüchtete wollen das Gleiche, was Städter und Ostdeutsche und Jugendliche und alte weiße Männer wollen: Urteile bitte nicht, weil ich zu einer Gruppe gehöre. Hör mir zu. Sieh mich an.
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jede Woche vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.